Beschäftigte wollen teilhaben
Die Tarifrunde im boomenden Kfz-Handwerk nimmt Fahrt auf / IG Metall fordert fünf Prozent, Arbeitgeber mauern
Mit einem Aktionstag macht die Gewerkschaft IG Metall kurz vor Beginn der nächsten Tarifrunde Druck auf die Arbeitgeber. Denn die Branche boomt und das soll sich auch auf die Löhne auswirken. Die diesjährige Tarifrunde für die Beschäftigten der Kfz-Werkstätten nimmt Fahrt auf. Mit einem bundesweiten Aktionstag hat die IG Metall am Donnerstag ihren Forderungen Nachdruck verliehen. Im Kern geht es um fünf Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten und eine deutliche Anhebung der Ausbildungsvergütungen sowie eine überdurchschnittliche Anhebung der unteren Lohngruppen. Verhandelt wird nicht zentral, sondern regional in verschiedenen Tarifgebieten: Den Anfang machte Niedersachsen Ende April, gefolgt von Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen Anhalt im Mai. Nach Pfingsten kommen der Bezirk Küste und das Tarifgebiet Sachsen dazu.
In Hannover kamen mehrere hundert Beschäftigte zu zwei Kundgebungen zusammen, auf denen IGMetall-Bezirksleiter Thorsten Gröger die Forderungen bekräftigte. In Hannover wird nach Pfingsten weiter verhandelt. »Mit den Aktionen wollen wir Druck machen, dass die Arbeitgeber endlich ein akzeptables Angebot vorlegen, denn die Beschäftigten haben es verdient«, sagte der Sprecher der IG Metall Niedersachsen/Sachsen-Anhalt, Sascha Howind, gegenüber »nd«. Auch in den anderen IG-Metall-Bezirken kam es zu Kundgebungen und Warnstreiks.
In Leipzig hatte die Gewerkschaft unter dem Motto »Hol dir Dein Stück vom Kuchen« die Beschäftigten der Autohäuser von Audi, BMW, Volkswagen sowie des Mercedes-Benz Stern Auto Centers zu einer »aktiven Mittagspause« aufgerufen. Während in Niedersachsen bereits seit Ende April – bislang ergebnislos – verhandelt wird, starten die Verhandlungen in Sachsen am 2. Juni. Es gehe dabei »auch um Wertschätzung der Arbeit und die faire Beteiligung der Beschäftigten an den Unternehmensgewinnen«, betonte Steffen Reißig von der IG Metall Leipzig in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung. Dass dem Kfz-Handwerk der Nachwuchs fehle, sei ein hausgemachtes Problem, so Reißig. Eine viel zu kleine Zahl von Betrieben sei überhaupt noch in der Tarifbindung.
Auch im IG-Metall-Bezirk Küste bildete der Aktionstag den Vorlauf zum bevorstehenden Verhandlungs- auftakt am 7. Juni. Unmittelbar zum Ende der Friedenspflicht des regionalen Tarifvertrags fand in Flensburg ab 0.01 Uhr eine Nachtaktion vor der Flensburger Fahrzeugbau GmbH (FFG) statt. In Emden kam es zu einem Warnstreik bei der Emder Anlagen- und Fahrzeugtechnik (EAFT). In Kiel versammelten sich Beschäftigte zu einer Kundgebung bei MAN Truck & Bus. An weiteren Standorten waren Mitgliederversammlungen und Flugblattverteilungen geplant.
In den unterschiedlichen Regionen gibt es eine Vielzahl von Verhandlungspartnern auf der Arbeitgeberseite: Teilweise sind es die Handwerksinnungen, teilweise gesonderte Tarifgemeinschaften, teils mischt auch die Industrie, vertreten durch die regionalen Gliederungen der Gesamtmetall mit. Die Laufzeit der Tarifverträge variiert – einige endeten am 30. April, andere am 31. Mai, wieder andere gelten noch bis Ende Juni. Erschwert wird die Situation zusätzlich durch die insgesamt niedrige und regional sehr unterschiedliche Tarifbindung.
Nirgends haben die Arbeitgeber bislang ein Angebot vorgelegt. Wirtschaftlich sei dies nicht nachvollziehbar, meint man bei der IG Metall. Denn die Betriebe sind gut ausgelastet, das belegen auch die Zahlen des Zentralverbands des deut- schen Handwerks (ZDH): 89 Prozent der Kfz-Betriebe bewerten demnach ihre derzeitige Geschäftslage als gut oder zufriedenstellend. Tatsächlich treibt der private Konsum das Wachstum auch im Kfz-Handwerk an. Rund 3,1 Millionen Neuwagen wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr in Deutschland zugelassen. Das entspricht einer Steigerung von 4,6 Prozent gegenüber 2015. Der Neuwagenboom und ein zugleich weiterhin stabiles Gebrauchtwagengeschäft ließen den Umsatz im Kraftfahrzeuggewerbe im vergangenen Jahr um zehn Prozent nach oben schnellen.
Diese gute wirtschaftliche Lage dürfte auch für die Beschäftigte der Werkstätten kein Geheimnis sein – denn sie haben alle Hände voll zu tun. Nach Angaben der Branchenzeitschrift »Kfz-Betrieb« vom Ende vergangenen Jahres stieg die Auslastung der Werkstätten im Schnitt bundesweit stieg von rund 80 Prozent im Oktober auf 90 Prozent im November an. Und die Prognosen sind weiterhin gut: Nach ZDH-Angaben gehen 40 Prozent der Unternehmen von weiteren Umsatzsteigerungen im laufenden Jahr aus, 91 Prozent rechnen demnach mit einer sich weiter verbessernden oder mindestens stabilen Ertragslage.