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Aus Liebe zum Fußball

Real Madrid hat ein Ensemble beisammen, das unter Zinedine Zidane auf meisterhaf­te Art eine neue Ära prägt

- Von Frank Hellmann, Cardiff

Die Kommerzial­isierung des Fußballs führte auch dazu, dass die Titelverte­idigung in der Champions League unmöglich wurde. Mit einer Mischung aus Kampf, Kraft und Kunst sowie der Aura des Trainers hat es Real Madrid nun geschafft. Es ist eine müßige Debatte, ob es so viel Feuer, Rauch und Donner zu einem Fußballspi­el wirklich braucht. Hierzuland­e wird ja viel getan, um jede Unart der Pyrotechni­k aus den Stadien zu verbannen, aber die europäisch­e Dachorgani­sation UEFA hat zur Königsmess­e im Millennium Stadion von Cardiff seine eigene Interpreta­tion ausgelebt: Vom geschlosse­nen Dach sprühten Silberfunk­en in Richtung Ränge und vom Rasen loderten die Flammen meterhoch. Aber bitte: War die pompöse Show nicht die passende Ouvertüre für ein atemberaub­endes Finale der Champions League zwischen Real Madrid und Juventus Turin (4:1)?

Kein anderer Klub scheint dafür besser prädestini­ert, eine Epoche der Neuzeit zu schreiben wie das globa- lisierte Fußballunt­ernehmen von Florentino Perez. Der Real-Präsident war natürlich mittendrin bei den Feierlichk­eiten am Pfingstson­ntag, als erst Zehntausen­de Fans vor dem Madrider Rathaus auf dem Platz Puerta del Sol und dann noch 80 000 im Bernabéu die Helden um Kapitän Sergio Ramos für den zwölften Gewinn des Henkelpott­s hochleben ließen. Noch eine Lichtshow mitsamt Feuerwerk für die »Campeones« inklusive.

Historisch­es war ja vollbracht: Früher, im Europapoka­l der Landesmeis­ter, hatte Real Madrid in den 50er Jahren fünf Mal hintereina­nder triumphier­t. In den 60ern schafften Benfica Lissabon und Inter Mailand die Titelverte­idigung, in den 70ern Ajax Amsterdam, Bayern München und der FC Liverpool, Ende der 80er noch mal der AC Mailand. Doch umso schneller die Spieler bald von einem Verein zum anderen zogen, umso mehr Geld in den Kreislauf floss, desto schwierige­r wurde die Mission. Bis sie in dem vor einem Vierteljah­rhundert erschaffen­en Champions-League-Format als Ding der Unmöglichk­eit galt.

Bis zum 3. Juni 2017. »Ein historisch­er Abend für die ganze Madrid-Fa- milie – Spieler, Trainersta­b, Betreuer und die Fans. Es ist das Ende einer spektakulä­ren Saison«, sagte Trainer Zinedine Zidane sichtlich ergriffen auf der Pressekonf­erenz. Perez äußerte sich anschließe­nd auf der Siegesfeie­r ähnlich: »Die Spieler sind Teil der Geschichte von Real Madrid und des Fußballs, genau wie unser Trainer.« Superstar Cristiano Ronaldo befand: »Wir sind etwas Einzigarti­ges und eine beeindruck­ende Gemeinscha­ft.«

Tatsächlic­h wäre es der größte Trugschlus­s, Ronaldo und seine Spielgefäh­rten allein auf ihre zweifelsfr­ei herausrage­nden individuel­len Qualitäten zu reduzieren. Die Königsklas­se ist nur mit einem kollektive­n Kraftakt zu gewinnen. Spiele bei Europa- oder Weltmeiste­rschaften reichen nicht mehr annähernd an die Qualität heran, die in der Champions League spätestens ab dem Viertelfin­ale durchgängi­g gefragt ist. Insofern geriet das Finale der königliche­n Garde zur Demonstrat­ion der Stärke: Der spanische Meister überrollte den italienisc­hen Titelträge­r, der in diesem Wettbewerb doch zuvor nur drei Gegentore kassiert hatte, zum Höhepunkt wie eine Dampfwalze. Die zweite Halbzeit sei die beste der Saison gewesen, erklärte Zidane. Die perfekte Mixtur aus Kampf, Kraft und Kunst.

Vielleicht hatten sich die Kicker in den diesmal lilafarben­en Trikots etwas von den muskulösen Männern abgeschaut, die in den verschlung­enen Gängen der Heimstätte der walisische­n Rugby-Nationalma­nnschaft dutzendwei­se an den Wänden hängen. Der deutsche Nationalsp­ieler Toni Kroos erzählte, man habe mit »mehr Akku im Tank« aufdrehen können, weil »die Persönlich­keit« Zidane es mit seiner Aura hinbekomme­n habe, die Einsatzzei­ten ungefähr gleich zu verteilen. »Wir haben in der Liga unfassbar viel rotiert und trotzdem die Ergebnisse geliefert«, führte Kroos aus. Ein Hoch auf die Diener Danilo, Morata, Nacho, Kovacic oder Asensio sollte das von der deutschen Majestät im Mittelfeld heißen.

Und es gehört von Trainersei­te Empathie dazu, einem Gareth Bale einen Kurzeinsat­z in dessen Heimatstad­t zu gönnen, wo doch sein Konterfei tagelang von einem Hochhaus am Bahnhof die walisische Kapitale überstrahl­te. Und wie viel Leidenscha­ft dieses Ensemble einbringt, war bes- tens zu besichtige­n, als der seit mehr als einem Jahrzehnt für Real spielende Linksverte­idiger Marcelo nach der Siegerehru­ng mit den Madridista­s voller Inbrunst die Hymne »Hala Madrid... y nada mas« trällerte. Identifika­tion mit den Werten des Klubs gehört zu den Tugenden, die eben auch den Titelhunge­r befeuern.

Auf die Frage, warum Zidane als Berufsanfä­nger im Profigesch­äft binnen 17 Monate geschafft hat, was erfahrenen Vorgängern wie José Mourinho, Carlo Ancelotti bis Rafa Benitez verwehrt blieb, entgegnete der 44Jährige trocken: »Ich werde jetzt nicht sagen, dass ich gut bin. Ich liebe nur den Fußball.« Perez flötete, Zidane sei mit seinem Coup »schon der beste Trainer der Welt.« Doch von einer lebenslang­en Anstellung wollte der Maestro nichts wissen: »Das geht nicht. Aber ich werde nächstes Jahr noch hier sein.« Und vielleicht im Olympiasta­dion von Kiew am 26. Mai 2018 wieder mit dieser Mannschaft auf der Finalbühne auftauchen. Ob es allerdings auch in der kriegsgepl­agten Ukraine ein weiteres Feuerwerk für die Inszenieru­ng braucht, sollte noch einmal überdacht werden.

 ?? Foto: AFP/Oscar del Pozo ?? Nach dem Sieg in Cardiff feiert Real im heimischen Bernabéu: Ronaldo (M.) entschied mit zwei Toren das Finale für Madrids Mannschaft, die Trainer Zidane (r.) zu einem Kollektiv formte.
Foto: AFP/Oscar del Pozo Nach dem Sieg in Cardiff feiert Real im heimischen Bernabéu: Ronaldo (M.) entschied mit zwei Toren das Finale für Madrids Mannschaft, die Trainer Zidane (r.) zu einem Kollektiv formte.

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