Vermüllt und überfischt
UN-Konferenz stand unter dem Eindruck von Klimawandel und Weltpolitik
In New York wollen UN-Experten die Meere retten – ein bisschen.
In New York trafen sich von Montag bis Freitag Umweltminister, Staatschefs und Wissenschaftler mit dem Ziel, die Weltmeere besser als bisher vor menschlichem Handeln zu schützen. Die Mühlen des Meeresschutzes mahlen langsam: Bereits 1970 formulierte die UN-Generalversammlung »feierlich« den Grundsatz von den Meeren als dem »gemeinsamen Erbe der Menschheit«. Zwölf Jahre dauerte danach die Festschreibung des Grundsatzes in der »United Nations Convention on the Law of the Sea« (UNCLOS) – und nach noch einmal zwölf Jahren trat das Seerechtsübereinkommen im November 1994 in Kraft. In dieser Woche tagt in New York nun erstmals eine UN-Konferenz zum Schutze der Meere.
Längst haben die Menschen, ihr Wirtschaften und ihr Konsum den Meeren unübersehbare Stempel aufgedrückt, haben teilweise unumkehrbare Schäden verursacht. Entlang der Küstenregionen konzentriert sich mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Fischerei und Tourismus, Schifffahrt und Hafenpolitik, Offshore-Aktiviäten zur Energiegewinnung, aber auch Rücksichtslosigkeiten wie die Vernichtung von Mangrovenwäldern, die Verschmutzung über Flüsse und Atmosphäre sowie nicht zuletzt die massive Vermüllung durch Plastikabfälle haben Meere und Küsten zu ihrem Nachteil verändert – und gefährden sie unaufhaltsam weiter. All dies aber wird »gekrönt« von den Folgen des anthropogenen Klimawandels, der Polareis schmelzen, den Meeresspiegel steigen, wertvolle Korallenriffe sterben oder ganze Inselgruppen und Küstenregionen untergehen lässt – zumindest tendenziell.
Der Grundsatz vom »gemeinsamen Erbe« konnte aber nie wirksam greifen: Bereits bei der Formulierung von UNCLOS haben die Widersprüche zwischen Nord und Süd, zwischen stark und wenig entwickelten Regionen das Abkommen zu einem teils faulen Kompromiss werden lassen. So wurden nicht nur die Küstengewässer den Anrainerstaaten zugeschrieben, sondern ihnen auch die so genannten Festlandsockel (200-Meilen-Zone) als »Ausschließliche Wirtschaftszonen« gewährt. Weil zudem auf Hoher See Schifffahrt und Fischerei unzureichend geregelt sind, beschränkt sich das gemeinsame Erbe auf Meeresboden »jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse«.
Diese Parzellierung der Küstenzonen und damit wesentlicher Teile der Meere macht deren Schutz schwierig: Wer in »seinem« Bereich rücksichtslos agieren darf, kann wegen der globalen Vernetzung der Meere leicht auch alle anderen schädigen – ohne dafür abgestraft zu werden.
Hier setzt die am Freitag zu Ende gehende UN-Konferenz an: Angestoßen durch den »Erdgipfel« von Rio de Janeiro 1992 verabschiedete die Generalversammlung 2015 die sogenannte 2030-Agenda mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG). Erstmals wurde ein eigenes Kapitel zu Meeresschutz und -nutzung aufgenommen: »SDG 14« steht seither für ein Umdenken in der Meerespolitik. Maßnahmen gegen »Meeresverschmutzung aller Art« zählen ebenso zum Katalog wie die Stärkung der Widerstandsfähigkeit oder Wiederherstellung von Meeres- und Küstenökosystemen, die Bekämpfung der Ozeanversauerung ebenso wie der Überfischung (und der sie begünstigenden Subventionen), Förderung handwerklicher Fischerei oder wenig entwickelter Küstenstaaten, aber auch von Forschung unter Berücksichtigung der marinen Biodiversität.
In New York ging es in dieser Woche um die Umsetzung des umfang- reichen Handlungskatalogs. Angestrebt ist die Verabschiedung einer Deklaration, deren Entwurf bereits mehrere Monate debattiert wurde und die nun ausgefeilt wird. Diskutiert wird unter anderem, bis 2020 mindestens zehn Prozent der Küstenund Meeresgebiete unter Schutz zu stellen. Zudem sollen die Verschmutzung der Meere verringert und illegaler Fischfang bekämpft werden.
Gabuns Präsident Ali Bongo Ondimba hatte am Montag angekündigt, Afrikas größtes Meeresschutzgebiet schaffen zu wollen. Laut einer Studie der Universität von York könnten Meeresschutzgebiete den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen. Die ganze Konferenz stand unter dem Eindruck der Ankündigung von USPräsident Donald Trump, das Pariser Klimaschutzabkommen zu kündigen. Boliviens Staatschef Evo Morales sagte, der Ausstieg bedeute, »die Wissenschaft zu leugnen, dem Multilateralismus den Rücken zuzukehren und zu versuchen, kommenden Generationen eine Zukunft zu verwehren«.
Egal, wie die Beschlüsse lauten werden, für die Meere setzen Wirkungen, wenn überhaupt, erst viel später ein: Denn umgesetzt werden muss der Aufruf von den Einzelstaaten, Stück für Stück.