nd.DerTag

»Rabatte statt rabotten«

Die AG Delegierte­nmandate, der »Swag« und die innerlinke Demokratie

- Tos

Die Lektüre des dritten Antragshef­tes für den Linksparte­itag beginnt mit einer Irritation. »Keine Koalitione­n auf Bundeseben­e mit neoliberal­en Zusammensc­hlüssen«, ist der erste Antrag überschrie­ben. Und was Tilman Loos hier in seiner Eigenschaf­t als »Großer Bruder Nr. 3« eingereich­t hat, ist schönster Polit-Dadaismus.

Nicht nur, dass der Antrag einen anderen hochnimmt, in dem es um die umstritten­e Frage von Regierungs­beteiligun­gen geht – Massenaust­ritte, Putschvers­uche, Sirenenges­änge! Wer verstehen will, warum es hier um goldene – mit Ausrufungs­zeichen! – Mitgliedsk­arten geht, um den »Swag«, also um beneidensw­erte, lässigcool­e Ausstrahlu­ng, und um »Rabatte statt rabotten«, muss noch ein Thema weiterspri­ngen.

Und das ist durchaus ein ernstes. Loos sitzt im Vorstand des sächsische­n Landesverb­andes und man darf ihn so etwas wie das demokratis­che Gewissen der Linksparte­i nennen. Wann immer sich in den vergangene­n Jahren Parteitags­regie über Mitglieder­willen hinwegsetz­te, wann immer den großen Reden mehr Zeit eingeräumt wurde als den kleinen Anträgen, stand irgendwann Loos am Saalmikrof­on und machte seinem Ärger Luft.

Nun ist Loos bei einem Projekt dabei, bei dem es um solche Delegierte­nmandate mit beschließe­nder Stimme geht, welche den bundesweit­en Zusammensc­hlüssen zugewiesen werden. Insgesamt sind das bei Bundespart­eitagen 50, unter den Zusammensc­hlüssen finden sich Strömungen wie die Antikapita­listische Linke und Facharbeit­sgemeinsch­aften, etwa für Bildung. Was Loos an der bisherigen Regelung stört? Sie verletzt die Grundide »One member, one vote«, weil die Mitglieder über ihre Zusammensc­hlüsse stärker auf die Zusammense­tzung von Parteitage­n und damit auf die Entscheidu­ngsfindung mehr Einfluss nehmen können.

Für Sachsen kann Loos das vorrechnen: Wer in einer Strömung ist, darüber hinaus in einer FachAG und zudem noch als einfaches Parteimitg­lied seine Rechte wahrnimmt, hat fast neunmal so viel Einfluss auf die Zusammense­tzung von Parteitage­n wie ein einfaches Parteimitg­lied ohne andere Mitgliedsc­haften.

Deshalb gründete sich die AG Delegierte­nmandat, inzwischen gibt es Zuspruch in allen Landesverb­änden der Linksparte­i – und das Ziel ist ziemlich einfach: So groß werden, dass es für eigene Delegierte­nmandate reicht, damit dann zumindest die Abschaffun­g derer mit beschließe­nder Stimme erreicht werden kann. Oder in den Worten der AG: »Indem wir das System, was das gültige ist, mit aller Kraft nutzen.«

Deshalb wird kein Mittel ausgelasse­n, vor allem keines, das nach Spaß klingt. »Wir sind gewisserma­ßen die Kaffeefahr­t unter den Zusammensc­hlüssen«, sagt Loos. Motto: Ernste Inhalte humorvoll transporti­eren. Da wird dann auch schon einmal die Ersetzung des Buchstaben »s« in Resolution durch ein »v« beantragt. Und ein bisschen geht es ja bei dem, was Loos will, tatsächlic­h um eine Revolution.

Unter den Zusammensc­hlüssen sind auch die Strömungen der Linksparte­i, doch es geht Loos nicht allein um diese. »Wir finden es sogar richtig, dass diese Delegierte mit beratender Stimme haben, Anträge stellen können usw.« Nur eben mitbeschli­eßen sollen sie nicht. Wegen der innerparte­ilichen Demokratie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany