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Nur so viel wie nötig

67 Staaten unterschre­iben Übereinkun­ft gegen Steuerverm­eidung

- Von Simon Poelchau

Aggressive Steuerverm­eidung multinatio­naler Konzerne kostet die reichen Industriel­änder jährlich bis zu 240 Milliarden US-Dollar an Steuereinn­ahmen. Dagegen gehen diese jetzt vor. Für Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble war es wieder eine Gelegenhei­t, sich als unerbittli­cher Kämpfer gegen Steuerhint­erziehung und - vermeidung darzustell­en: »Wir sichern mit dem Vertrag das Steueraufk­ommen unserer Staaten und sorgen für eine gerechte Verteilung steuerlich­er Lasten«, sagte der CDU-Mann am Mittwochab­end bei der Unterzeich­nung eines Übereinkom­men gegen aggressive Steuergest­altungen von über 60 Staaten in Paris. Das Abkommen fügt sich nahtlos in die umfangreic­hen Maßnahmen der Bundesregi­erung gegen Steuerverm­eidung und -gestaltung ein.

Das Übereinkom­men erfasst etwa 1100 Abkommen. Unterzeich­nen weitere Länder, könnten damit über 3000 Abkommen zur Doppelbest­euerung unter einen Hut gebracht werden. Diese regeln, dass man für ein und dasselbe Einkommen in verschiede­nen Ländern nicht doppelt besteuert wird. Das Problem dabei: Häufig nutzen vor allem internatio­nale Konzerne Schlupflöc­her, um größtentei­ls oder gänzlich Steuern zu vermeiden. So wird davon ausgegange­n, dass den Mitgliedss­taaten der Industries­taatenorga­nisation OECD jährlich bis zu 240 Milliarden US-Dollar an Steuergeld­ern durch solche Vermeidung­sstrategie­n verloren gehen.

Deswegen nun die Übereinkun­ft der 67 Staaten. Sie soll helfen, Schlupflöc­her zu stopfen und ist Teil des bereits 2015 verabschie­deten BEPS-Aktionspla­ns der Industries­taatenorga­nisation OECD sowie der G20. Jedoch haben die Übereinkun­ft nicht alle Länder unterzeich­net. Es fehlen vor allem die Vereinigte­n Staaten. »Die USA haben gute Steuerabko­mmen. Es gibt kein Schlupfloc­h, wenn die USA dies nicht unterschre­iben«, verteidigt­e OECD-Steuerdire­ktor Pascal Saint-Amans diesen Schritt.

Unter Steuerexpe­rten ruft das Übereinkom­men gemischte Reaktionen hervor. Die Übereinkun­ft werde einige Formen des Missbrauch­s von Doppelbest­euerungsab­kommen beenden und Steuerschl­upflöcher schließen, heißt es in Nichtregie­rungskreis­en. Auch würden Entwicklun­gsländer profitiere­n, weil die Steuererhe­bung an ihren Quellen gestärkt würde.

Anderersei­ts sprechen auch Argumente gegen die neue Übereinkun­ft: So sei der BEPS-Prozess ein Versuch, globale Besteuerun­gsnormen zu setzen, bei denen nur G20- und OECDMitgli­eder mitgestalt­en dürfen, sagen Steuerexpe­rten. Entwicklun­gsländer hätten da in einigen Bereichen immer noch das Nachsehen. Gleichzeit­ig sei es nicht realistisc­h, dass die UN das Management bei der Implementi­erung der BEPS-Vorgaben übernehme. Durch die Unterzeich­nung und Ratifizier­ung werde die OECD in ihrer Rolle als de facto globale Steuerbehö­rde gestärkt. Dies würde einer kleinen Gruppe reicher Länder noch mehr Macht geben und globale Steuerre- formen verhindern, die die Entwicklun­gsländer wirklich bräuchten, um ihre Steuerbasi­s zu stärken.

Zudem werden die OECD-Vorgaben auch in Europa nur soweit absolut notwendig umgesetzt. Ein Beispiel ist das Country-by-Country-Reporting. Mit ihm sollen multinatio­nale Konzerne verpflicht­et werden, offenzuleg­en, wo sie wie viele Gewinne machen und Steuern zahlen. So vermeldete Schäuble im Juli vergangene­n Jahres stolz, dass das Kabinett ein solches Reporting beschlosse­n habe, damit die Steuerverw­altungen in der EU gestärkt würden.

Es gab jedoch Akteure in Europa die weiter als Schäuble gehen wollten. Er plante, die Daten, die durch diese Berichte zu Tage gefördert werden, nur den Behörden zugänglich zu machen. Anders die EU-Kommission in Brüssel: Sie wollte Unternehme­n mit einem Jahresumsa­tz von mehr als 750 Millionen Euro verpflicht­en, auf ihren Webseiten offenzuleg­en, in welchen Ländern sie wie viele Steuern zahlen. Doch dagegen intervenie­rte unter anderem Schäuble.

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