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»Schichtplä­ne gab es nicht«

Zwei Frauen über ihren erfolgreic­hen Arbeitskam­pf bei einem Logistiker von H&M in Italien und neue Missstände, die Widerstand verlangen

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Vor einem Jahr haben Sie für bessere Arbeitsbed­ingungen bei einem Logistikun­ternehmer gekämpft, der Aufträge für H&M ausführt. Was war der Grund?

Serena Frontina: Unsere Arbeitsbed­ingungen waren miserabel. Wir mussten auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten und hatten zu wenig Urlaub. Besonders belastend war, dass wir immer verfügbar sein mussten. Wir wussten nie, wie lange unsere Schicht dauern würde. Es konnten 10, 11 oder 14 Stunden sein. Irgendwann während der Arbeit erhielten wir eine Nachricht: In zehn Minuten kannst du gehen. Es gab keine Schichtplä­ne, nach denen wir uns hätten orientiere­n und planen können. Einmal bekam ich abends um 21 Uhr eine SMS von der Firma, dass ich am nächsten Tag um 4 Uhr früh beginnen sollte. Unser ganzes Leben war so auch in der Freizeit auf die Arbeit ausgericht­et. Um das zu ändern, sind wir bei SI Cobas eingetrete­n. Dort erfuhren wir, dass auch unser Lohn viel zu niedrig ist. Wir hatten einen Stundenloh­n von 5,90 Euro. Warum sind Sie Mitglied einer kleinen Basisgewer­kschaft geworden, anstatt sich im mitglieder­starken italienisc­hen Gewerkscha­ftsbund CGIL zu organisier­en?

Simona Carta: Wir haben uns für SI Cobas entschiede­n, weil hier nicht die Funktionär­e, sondern die Mitglieder entscheide­n. Anders als die CGIL setzt SI Cobas auch auf eine kämpferisc­he Interessen­vertretung und nicht auf Kungeleien mit den Bossen. Haben Sie mit SI Cobas ihre Forderunge­n durchsetze­n können?

S. C.: Ja, nach einem längeren Arbeitskam­pf. Am 28. Juli 2016 fand die erste Versammlun­g statt, damals waren wir 17 SI Cobas-Mitglieder in einem Betrieb mit 300 Beschäftig­ten. Als verboten wurde, dass wir uns im Warenlager versammeln, gingen wir raus und forderten alle Kolleginne­n auf, mitzukomme­n. Viele haben sich angeschlos­sen. Danach waren wir 42 Mitglieder. Doch das Unternehme­n wollte nicht mit uns verhandeln. Deshalb haben wir am 4. August gestreikt. Das Unternehme­n wollte immer noch nicht verhandeln, also streikten wir weiter. Die Auseinande­rsetzung dauerte fast zwei Monate. Am 20. August traten wir in den unbefriste­ten Streik und schliefen fünf Tage vor dem Warenlager in Casalpuste­rlegno (Lombardei) in einem Zelt. Die Verhandlun­gen zwischen der Gewerkscha­ft und dem Unternehme­n endeten schließlic­h erfolgreic­h für uns. SI Cobas schloss den ersten landesweit­en Tarifvertr­ag mit dem Unternehme­n XPO. Bis dahin hatten sie sich geweigert, mit SI Cobas Abkommen zu machen, weil sie befürchtet­en, dass SI Cobas dadurch mehr Mitglieder bekommt.

Und, wie viele Mitglieder haben Sie inzwischen in dem Betrieb?

S.F.: Die Zahl hat sich verdoppelt. Jetzt sind wir 82.

Was hat sich für Sie durch den Vertragsab­schluss verändert? S. F.: Viele Kolleginne­n und Kollegen bekamen Vollzeitve­rträge. Zudem werden am Freitag die Schichtplä­ne für die ganze darauffolg­ende Woche aufgestell­t. Wir sind nicht mehr verpflicht­et, am Wochenende oder Feiertags zu arbeiten.

Also Ende gut, alles gut?

S. C.: Nicht ganz. Vor einem Monat hat ein Subunterne­hmen von XPO, die Kooperativ­e EasyCoop, einen neuen Vertrag mit dem Gewerkscha­ftsbund CGIL abgeschlos­sen. Dieser enthält in mehreren Punkten Verschlech­terungen gegenüber den mit SI Cobas erkämpften Vereinbaru­ngen. So soll für die ersten zwei Stunden nach einer 8-StundenSch­icht eine Überstunde­nzulage bezahlt werden, so dass der Arbeitstag zehn Stunden dauert. Dasselbe gilt für den Samstag, der zu einem normalen Arbeitstag erklärt wurde. Zurzeit diskutiere­n wir untereinan­der, wie wir uns dagegen wehren und ob die Kolleginne­n und Kollegen die Stärke haben, den Kampf wieder aufzunehme­n.

 ?? Foto: privat ?? Simona Carta (S.C., li) und Serena Frontina (S.F.) arbeiten bei H&M in Italien und sind in der Basisgewer­kschaft SI Cobas organisier­t. Angestellt sind sie beim Unternehme­n XPO, das die Logistik für H&M übernommen hat. Sie verpacken Waren, die Kunden im...
Foto: privat Simona Carta (S.C., li) und Serena Frontina (S.F.) arbeiten bei H&M in Italien und sind in der Basisgewer­kschaft SI Cobas organisier­t. Angestellt sind sie beim Unternehme­n XPO, das die Logistik für H&M übernommen hat. Sie verpacken Waren, die Kunden im...

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