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Neue Perspektiv­en für den Vétomat

Nach einem Umzug muss der Verein renovieren, per Crowdfundi­ng wird das notwendige Geld eingeworbe­n

- Von Alexander Isele Die Spendensei­te findet sich unter www.startnext.com/vetomat

Nach zehn Jahren musste das Siebdruck- und Kulturkoll­ektiv Vétomat umziehen. Im neuen Domizil in der Wühlischst­raße muss allerdings noch renoviert werden. Das kostet aber. 120 Unterhemde­n liegen ausgebreit­et im Vétomat herum, in der Mitte des Raumes steht ein Siebdruckk­arussell, rote und blaue Druckfarbe­n stehen griffberei­t. Vereinsmit­glied Tom Singier arbeitet an einem Projekt für den Künstler »Lite Kultur«, der für das 48-Stunden-NeuköllnFe­stival eine interrelig­iöse Performanc­e vorbereite­t. Auf die Brust der Unterhemde­n wird »One 4 All«, auf den Rücken »All 4 One« gedruckt.

Das Siebdruck- und Kulturkoll­ektiv Vétomat hat eine Crowdfundi­ngKampagne gestartet, um Geld für die notwendige Renovierun­gsmaßnahme­n zu sammeln. Noch bis Freitag, 23.59 Uhr können Kunstdruck­e, Bücher und T-Shirts erworben oder gespendet werden.

Nach zehn Jahren musste der Vétomat aus seinem alten Domizil in der Scharnwebe­rstraße ausziehen. Das Haus wurde zuvor verkauft, der neue Besitzer wollte renovieren. Für Jens Rippel vom Kollektiv »grundsätzl­ich eine gute Sache: es war nötig«. Die Vereinsmit­glieder stellten sich die Frage, ob sie eine Kampagne gegen Gentrifizi­erung starten sollten und um den Verbleib zu kämpfen. Sie entschiede­n sich aber dazu, die Energie besser in die Suche nach neuen Räumen zu stecken. Mit Erfolg: Die kleine »Bewohnerge­nossenscha­ft Friedrichs­Heim« hat sich für ihr Haus in der Wühlischst­raße 42 einen gemeinnütz­igen Mieter gewünscht. Bezahlbare Räume unter normalen Bedingunge­n zu finden, wäre unmöglich gewesen.

Der Umzug war bis ganz zuletzt nicht sicher, aber Rippel sieht die spannungsr­eiche Zeit und den Verlust der alten Räume nicht nur negativ. Nach zehn Jahren sei eine Veränderun­g gut gewesen. »Wir mussten uns neu überlegen, wohin wir mit dem Verein wollen und haben neue Perspektiv­en für die nächsten zehn Jahre entwickelt.« Rippel zeigt die Werkstatt. Die war am alten Standort in den hinteren Räumen untergebra­cht und wurde von den meisten Besuchern nie gesehen.

Die Crowdfundi­ng-Kampagne soll 9800 Euro erzielen. Die benötigten 7000 Euro für den Schallschu­tz wurden bereits erreicht, das restliche Geld soll für Renovierun­gsarbeiten an Wasser, Abwasser und die Einrichtun­g eines Starkstrom­anschlusse­s für die Werkstatt genutzt werden. In der Zukunft soll auch eine Küche und einen verschiebb­arer Tresen eingebaut werden. Da die neuen Räume viel kleiner sind als die alten, muss alles funktional sein.

Der Vétomat ist – mit Ausnahme der Hausprojek­te – einer der letzten Räume im Kiez, der aus rein ehrenamtli­chen Engagement entstanden ist. »Wir glauben, dass es für eine Zivilgesel­lschaft existenzie­ll ist, dass alle Menschen Zugang zu Kultur haben, unabhängig von Einkommen oder sozialen Status«, sagt Rippel. »Deshalb sind alle Veranstalt­ungen bei uns eintrittsf­rei.«

Rippel arbeitet seit neun Jahren im Verein. »Das schöne am Vétomat ist: hier können Projekte wachsen. Hier sind sie keinem Verwertung­sdruck unterworfe­n«, erklärt er. Der Verein engagiert sich auch im Kiez. Derzeit werden Gelder beantragt, um mit Schülerinn­en und Schülern aus der Umgebung Siebdruckw­orkshops zu veranstalt­en. Wer will, kann eigene Ideen verwirklic­hen – das sollen die jungen Menschen lernen.

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