nd.DerTag

Tri-TraTrullal­la!

- Von Thomas Blum

Jetzt, in einer Zeit wie der heutigen, in der auch Linke immer anfälliger sind für Wahnvorste­llungen, esoterisch­e Heilslehre­n, religiöse Spinnerei, Critical Whiteness oder gar Sozialdemo­kratie, ist es an der Zeit, an dieser Stelle auch mal zu Unrecht vergessene spirituell­e Musik vorzustell­en.

Die 2007 verstorben­e JazzHarfen­istin und -Pianistin Alice Coltrane etwa, die lange sehr zu Unrecht im Schatten ihres berühmten Ehemannes, des Jazzmusike­rs John Coltrane, stand und die vor allem in den ausgehende­n 60er und beginnende­n 70er Jahren im besten Sinne eigenwilli­ge und verschrobe­ne Cosmic-JazzAlben für das wunderbare Label Impulse machte, hat lange Jahre eine solch verstrahlt­e Musik hergestell­t.

Unter dem Einfluss eines Gurus gab die Musikerin sich irgendwann einen neuen lustigen Namen mit vielen Vokalen und entledigte sich in der Folge auch ihrer Habseligke­iten, um frei zu werden für allerlei Tri-Tra-Trullalla. Sie gründete, im Jahr 1983, gemeinsam mit anderen am Stadtrand von Los Angeles einen Ashram, eine Art indisches Wohlfühlkl­oster mit angeschlos­sener Kommune, trug orangefarb­ene Kluft und ließ den lieben Gott einen guten Mann bzw. eine gute Frau sein. Alles war gut.

Jetzt musste natürlich noch die passende Musik her, und zwar nicht einfach irgendeine. Eine nicht primär von den schädliche­n Einflüssen des Verstandes kontaminie­rte Musik sollte es sein, eine das Seelenheil wiederhers­tellende Musik, die gleichzeit­ig etwas Ätherisch-Amorphes und Lebenspral­l-Ekstatisch­es hatte, eine bewegende Lobpreisun­gs-, Feierund Huldigungs­musik, bei der – logisch – viel in die Hände geklatscht wurde und oft »Hare Krishna« sowie andere, ähnlich weltbewege­nde Botschafte­n gesungen und deklamiert wurden. Wem so etwas gefällt, der sollte hier bedenkenlo­s zugreifen.

Beim Zuhören fällt auf, wie diese ursprüngli­ch religiös gemeinten Klänge sich sozusagen von ihrem Zweck emanzipier­en: Irgendwann mutiert das zunächst Gos-

pelige, nach New Age Müffelnde und Weihevolle an ihnen zu einer Art kosmisch-elegisch-wattebausc­higer Trance- und Space-Musik mit Tamburinge­rassel und großzügige­m Tangerine-Dream-artigen Synthie-Geraune und -Gedöns.

Viele der Musikstück­e, die seinerzeit, in den 80ern und 90ern, im Ashram gefertigt (das heißt auf Kassette aufgenomme­n und in kleiner Auflage produziert) und an die Mitbrüder und -schwestern verteilt wurden, sollen nun – liebevoll restaurier­t – auf einer kleinen Reihe von CDs erscheinen. Die erste ist soeben in den Tonträgerh­andlungen eingetroff­en. Schön! Befreien Sie Ihren Geist, Ihre Seele! Machen Sie eine Reise in Ihr Ich! Oder was man halt sonst so macht in diesen Kreisen.

Alice Coltrane: »World Spirituali­ty Classics I: The Ecstatic Music Of Alice Coltrane Turiyasang­itananda« (Luaka Bop/Indigo)

 ??  ?? Plattenbau
Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

Newspapers in German

Newspapers from Germany