nd.DerTag

Klötze am Bein

Konservati­ves Lager in Frankreich rappelt sich auf

- Von Bernard Schmid, Paris

Wahrschein­lich werden die miteinande­r verbündete­n Parteien Les Républicai­ns (LR) und UDI die zweitstärk­ste Fraktion in der nächsten französisc­hen Nationalve­rsammlung bilden. Derzeit liegen Konservati­ve und Wirtschaft­sliberale in Umfragen bei 23 Prozent. Das sind drei Prozent mehr, als der konservati­ve Präsidents­chaftskand­idat François Fillon im ersten Wahlgang erhielt.

Tatsächlic­h hat das konservati­v-wirtschaft­sliberale Lager es seit der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl geschafft, sich zweier Hemmnisse zu entledigen. Das eine war Fillon selbst: Infolge einer Welle von Veröffentl­ichungen in der französisc­hen Presse, die nahelegten, dass Fillon Familienmi­tgliedern über Jahre hohe Summen öffentlich­er Gelder zugespielt hatte, war der Kandidat der Konservati­ven diskrediti­ert.

Der zweite Klotz am Bein der bürgerlich­en Rechten war die Front National (FN), die bei den Präsidents­chaftswahl­en bereits in der ersten Runde die Konservati­ven übertrumpf­en konnte. Dieser Trend hat zumindest nachgelass­en: Nachdem die FN-Kandidatin Marine Le Pen in der Stichwahl gegen Macron deutlich schwächer abschnitt als zunächst erwartet – unter anderem infolge ihres katastroph­alen Auftritts bei der Fernsehdeb­atte zwischen den beiden Anfang Mai –, ist ihre Partei in eine Krise gestürzt. Sie wird von Orientieru­ngsdebatte­n und Flügelstre­itigkeiten heimgesuch­t. Dabei geht es unter anderem darum, die Forderung nach dem EUund Euro-Austritt fallenzula­ssen.

Um die FN am Erringen von Parlaments­mandaten zu hindern, schlug der Spitzenkan­didat der Allianz LR/UDI, der 52-jährige frühere Minister François Baroin, zunächst Ende Mai vor, in den Wahlkreise­n, in denen ein FN-Sieg droht, systematis­ch Kandidaten zugunsten anderer demokratis­cher Parteien zurückzuzi­ehen.

In der zweiten Runde der Parlaments­wahlen, an der alle Kandidaten teilnehmen dürfen, die in der ersten Runde durch mindestens 12,5 Prozent der Stimmberec­htigten gewählt wurden, sollte also nur noch eine Partei gegen den FN antreten, so die Idee Baroins. Darauf sollten sich Sozialdemo­kratie, Macron-Anhänger und Konservati­ve einigen.

Einen Tag später war der Vorschlag wieder vom Tisch, nachdem politische Schwergewi­chte wie Laurent Wauquiez (LR), Regionalpr­äsident in Lyon, dagegen opponiert hatten. Auch Wauquiez redet zwar nicht einem Bündnis mit der FN das Wort. Doch er befürworte­t einen scharfen Opposition­skurs von rechts. Seine Prognose lautet: »Nach fünf Jahren Macron, also Regierung ohne ein festes Wertesyste­m, werden die Franzosen nach einer klaren, Werten verpflicht­eten Rechten rufen.« Seitdem ist wieder offen, wie die Konservati­ven sich vor den Stichwahle­n positionie­ren werden.

In den kommenden Wochen wird sich zudem zeigen, wie die Konservati­ven sich zu dem Liberalen Emmanuel Macron an der Macht verhalten werden. Und hier deuten sich bereits sichtbare Bruchlinie­n an. Auf dem Tisch liegen drei Optionen: Opponieren, eine punktuelle Unterstütz­ung für einzelne Reformproj­ekte unter Macron – dies deutet sich bereits bei dem für den Zeitraum Juli bis September geplanten, regressive­n Umbau des Arbeitsrec­hts an – oder eine formale Koalition. Welchen Weg das konservati­ve Lager einschlägt, wird natürlich auch davon abhängen, ob Macron Bündnispar­tner benötigt oder aber über eine eigene Mehrheit in der Nationalve­rsammlung verfügt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany