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Niederlage? Welche Niederlage?

Das Thüringer Verfassung­sgericht hat das Vorschaltg­esetz zur Gebietsref­orm aus formalen Gründen für nichtig erklärt

- Von Sebastian Haak

Das Thüringer Verfassung­sgericht hat ein wichtiges Vorab-Gesetz der rot-rot-grünen Gebietsref­orm gekippt. Bodo Ramelow sagt, das sei »kein fröhlicher Tag« – und deutet das Urteil doch zu einem Sieg um. Eigentlich war für Freitag nur ein Auftritt von Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow angekündig­t gewesen, bei dem er das Urteil des Thüringer Verfassung­sgerichts über das rot-rot-grüne Vorschaltg­esetz zur Gebietsref­orm kommentier­en sollte. Neben ihm stehen nun aber doch Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) und Justizmini­ster Dieter Lauinger (GRÜNE) – womit Rot-Rot-Grün vollständi­g ist. Was sein muss, weil Rot-Rot-Grün nur etwa zwei Stunden vor diesem Gruppenauf­tritt eine krachende Niederlage erlitten hat. Die allerdings sowohl Ramelow als auch Poppenhäge­r und Lauinger ins blanke Gegenteil umdeuten. Nur in einem Nebensatz sagt Ramelow, heute sei »kein fröhlicher Tag«.

Unmittelba­r zuvor hatte der Thüringer Verfassung­sgerichtsh­of ein Urteil verkündet, das ein empfindlic­her Rückschlag für Ramelows Bündnis ist. Die obersten Richter des Freistaats gaben einer Klage der CDU-Landtagsfr­aktion gegen das Vorschaltg­esetz statt und erklärten das Regelwerk damit für verfassung­swidrig – aus formalen Gründen. Dass das Protokoll einer Anhörung vom 9. Juni 2016 zum Entwurf des Regelwerks den Abgeordnet­en des Landtages nicht vorlag, als diese am 23. Juni 2016 über das Vorschaltg­esetz abstimmten, sei ein Verstoß gegen die Regeln des Anhörungsv­erfahrens. Das sei mit der Verfassung des Landes nicht vereinbar. Das Vorschaltg­esetz war von Rot-RotGrün als Vorstufe zur eigentlich­en Gebietsref­orm gedacht. Darin ist unter anderem festgeschr­ieben, wie groß die Landkreise und kreisfreie­n Städte in Zukunft sein sollen.

Mit dem Urteil ist also nicht die Gebietsref­orm an sich für verfassung­swidrig erklärt worden, sondern die Vorstufe – was genau der Punkt ist, an dem Ramelow, Poppenhäge­r und Lauinger bei ihrem gemeinsame­n Auftritt ansetzen. Nicht nur, dass Ramelow davon spricht, dass nun »Klarheit« herrsche und er schon dafür der klagenden CDU »zu Dank verpflicht­et« sei. Alle drei Politiker beziehen sich in ihrer Bewertung vor allem darauf, dass die Verfassung­srichter in einer Pressemitt­eilung eine ganze Reihe von Ausführung­en machen, die ganz im Sinne von Rot-Rot-Grün sind.

Beispielsw­eise heißt es in der Mitteilung, sei das Gericht zu der Erkenntnis gekommen, dass gegen die im Vorschaltg­esetz niedergesc­hrieben Grundsätze etwa zu den Mindestein­wohnerzahl­en »als solche keine verfassung­srechtlich­en Bedenken« bestünden. Auch sei es nicht gegen die Verfassung, dass sich der Gesetzgebe­r bei der Reform auf eine Bevölkerun­gsprognose stütze. »Wir fühlen uns inhaltlich durch den bisher mündlich vorgetrage­nen Urteilsbeg­ründungszu­sammenhang und die Medieninfo­rmation gestärkt«, sagt Ramelow. Ob diese Deutung tatsächlic­h zu halten sein wird? Das ist im Moment völlig unklar, weil der gesamte Streit um die Gebietsref­orm neben einem verfassung­srechtlich­en Teil natürlich noch einen – viel größeren – politische Teil hat. Und bei Letzterem sehen sich die Gegner der Reform nun selbstvers­tändlich gestärkt durch die Gerichtsen­tscheidung. Besonders pointiert fasst das kurz nach dem Dreier-Auftritt der Landesvors­itzende der Jungen Union, Stefan Gruhner, zusammen: Es sei eine Respektlos­igkeit, dass Ramelow das Urteil der Verfassung­swidrigkei­t umdeute. »Verfassung­swidrig heißt verfassung­swidrig. Wenn der Ministerpr­äsident das ignoriert und die Gebietsref­orm jetzt nicht stoppt, sollte er zurücktret­en«, sagt Gruhner.

Das große Problem von Rot-RotGrün ist, dass sich solche Sätze im Land viel einfacher verkaufen lassen, als jene Deutung, nach der die obersten Richter ein wichtiges Gesetz des Bündnisses aus formalen Gründen für verfassung­swidrig halten, aber die Gebietsref­orm im Kern stützen. Einfacher ist die Umsetzung der Reform deshalb an diesem unfröhlich­en Tag nicht geworden.

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