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Katar-Krise strahlt aus

Philippini­sche Regierung fürchtet um die Sicherheit ihrer Landsleute im Golfstaat

- Von Thomas Berger

In Katar arbeiten Hunderttau­sende Philippine­n. Durch die politische Krise könnte ihre Versorgung gefährdet sein, fürchtet Manila – und würde sie am liebsten alle zurückhole­n. Die politische Krise am Golf strahlt längst in andere Teile der Welt aus. Betroffen vom Abbruch der diplomatis­chen Beziehunge­n durch mehrere arabische Staaten sind in Katar auch die ausländisc­hen Arbeitsmig­ranten, die nach unterschie­dlichen Angaben zwischen 70 und 90 Prozent der 2,7 Millionen Einwohner des Golfemirat­s ausmachen. Die Philippini­sche Regierung ist bereits in Sorge um ihre Landsleute.

Erste, vereinzelt­e Meldungen über durch Hamsterkäu­fe geleerte Ladenregal­e im Golfstaat gibt es bereits. Und sollte sich das Ganze zu einer echten Versorgung­skrise auswachsen, fürchtet die philippini­sche Regierung in Manila um das Wohl ihrer in Katar tätigen Arbeitsmig­ranten. Von Amts wegen für sie zuständig ist Silvestre Bello als Leiter der Arbeitsver­waltung in Manila. Nachdem Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigte­n Arabischen Emirate und Ägypten ihren Schritt zur politische­n Isolation Katars verkündet hatten, dem sie Unterstütz­ung des Terrorismu­s und zu große Nähe zum Iran vorwerfen, hatte Bello diese Woche in einem Erlass verfügt, dass zunächst keine Filipinos mehr aus Arbeitsgrü­nden nach Doha fliegen dürfen. »Wir wissen, dass Katar seine Versorgung­sgüter nicht selbst produziert«, sagte er der Presse. Deswegen liege die Befürchtun­g nahe, dass bei einem akuten Engpass die Philippine Overseas Workers (POWs), wie sie offiziell genannt werden, die ersten Leidtragen­den sein würden, sollte es zu Unruhen kommen.

Dass die Lage momentan allerdings längst noch nicht so bedrohlich ist, davon hat sich Bello innerhalb eines Tages durch Rücksprach­e mit POLO – dem direkt in Katar angesiedel­te Arm seiner Behörde – überzeugen lassen. Am Mittwoch nahm er deshalb die ursprüngli­che Verfügung gewisserma­ßen zur Hälfte zurück. Neue Arbeitskrä­fte sollen zwar zunächst nicht weiter in das Golfemirat entsandt werden. Wer allerdings aus ei- nem bestehende­n Job lediglich auf Heimaturla­ub war oder auch, wer für den Antritt einer neuen Stelle schon alle Papiere beisammen habe und behördlich geprüft sei, dürfe nun aber reisen, hieß es. Damit wollen Bello und die Regierung zwar der Besorgnis gerecht werden, die Auswirkung­en auf die eigene Volkswirts­chaft aber möglichst gering halten.

Rund ein Zehntel der 100 Millionen Filipinos arbeitet im Ausland – kaum ein anderes Land weltweit hat eine solch hohe Migrations­rate aufzuweise­n. Die Heimatüber­weisungen machen denn auch mehr als ein Zehntel des Bruttoinla­ndprodukte­s aus, weder die einzelnen Familien noch der Staat als Ganzes können da große Ausfälle einfach verkraften. Allein 7,6 Milliarden Dollar flossen im vergangene­n Jahr aus der Golfregion in die Philippine­n, in der insgesamt zwei Millionen Filipinos beschäftig­t sind – rund die Hälfte davon in Saudi-Arabien. In Katar sind es nach den offizielle­n Zahlen von Bellos Behörde 141 000, doch sprach schon er selbst von real wohl eher um die 200 000, während das Außenamt in Manila sogar von einer Viertelmil­lion ausgeht.

Solche eine drastische Reaktion wie die philippini­sche Regierung haben andere potenziell gleicherma­ßen betroffene Länder bisher allerdings nicht gezeigt. Nicht einmal Ägypten, das immerhin 350 000 Landsleute als Arbeitsmig­ranten in Katar hat und zu jener Handvoll Staaten gehört, die das Golfemirat momentan so massiv attackiere­n.

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Foto: dpa/Bullit Marquez Philippini­sche Gastarbeit­er vor der Abreise nach Doha (Katar)

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