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Ein Koch zwar, aber ohne Lebenslauf

Auf der Ausbildung­smesse treffen Geflüchtet­e auf Unternehme­n – doch Hoffnungen werden oft enttäuscht

- Von Marina Mai

Viele Geflüchtet­e suchen vergeblich Arbeit. Ist die Ausbildung­smesse für Geflüchtet­e eine Chance? Ein Besuch. In den Gängen der Landesarbe­itsagentur ist es an diesem Donnerstag­abend so voll, dass man sich nur in kleinen Schritten nach vorn drängeln kann. Im Angebot sind Ausbil- dungsplätz­e für Geflüchtet­e. 53 Berliner Unternehme­n bieten 250 solcher Plätze an – rund 1700 junge Menschen aus Syrien, Iran, Afghanista­n und Eritrea sind gekommen, um sich zu informiere­n.

Einer von ihnen ist der 22-jährige Eritreer Dawit A., der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Er lebt seit fast zwei Jahren in Berlin, hat die Sprache gelernt, Praktika in Handwerksb­etrieben absolviert und weiß genau, was er werden will: Tischler oder Anlagenmec­haniker Gas, Wasser, Sanitär, besser bekannt unter dem alten Namen Klempner. Seine Bewerbunge­n waren bisher nicht erfolgreic­h. Ist die Ausbildung­smesse seine Chance?

»Sie ist jedenfalls eine Chance für Berlin«, sagt Bernd Becking, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Regionaldi­rektion Berlin-Brandenbur­g. Fast 1900 nicht besetzte Ausbildung­splätze gibt es zurzeit in der Hauptstadt. In Pflegeberu­fen, Handwerk, Transportg­ewerbe, Gastronomi­e und Verwaltung. Da kommen die 900 jungen geflüchtet­en Menschen, die seine Behörde fördert, gerade recht. Rund die Hälfte aller Flüchtling­e sind im ausbildung­sfähigen Alter, die meisten von ihnen sind junge Männer wie Dawit A. »In unserer eigenen Behörde bilden wir acht Geflüchtet­e aus. Der Aufwand ist höher, aber die Menschen sind motivierte­r«, sagt Becking.

Alexander Fischer (LINKE), Arbeitssta­atssekretä­r, sagt: »Eine abgeschlos­sene Berufsausb­ildung ist der Schlüssel für die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt.« Berlin plant, Unternehme­n finanziell zu fördern, wenn sie Geflüchtet­e ausbilden. Denn vor und während einer Ausbildung brauchen sie besondere Förderung, weil sie andere Voraussetz­ungen mitbrin- gen als Auszubilde­nde, die die Schulen hierzuland­e besucht haben.

Diese Erfahrung macht gerade die Vertreteri­n eines großen Hotels auf der Messe. Ein Afghane informiert sich über die Möglichkei­t, den Beruf des Kochs zu erlernen. Gekocht hätte er schon immer, als Kind im Imbiss der Familie und später auf der Flucht zwei Jahre lang in einem Restaurant im Iran. Die Frau strahlt. »Dann freue ich mich auf Ihren Lebenslauf.« Sie reicht ihm ihre Visitenkar­te, zeigt auf ihre Mailadress­e. »Schicken Sie ihn da hin.« Aber damit kann der Afghane nichts anfangen. Kochen kann er. Einen Lebenslauf schreiben und eine Mail versenden kann er nicht. Die Frau findet eine Lösung, gibt ihm einen Termin. »Dann schreiben wir den Lebenslauf eben zusammen.«

Die Vertreteri­n am Stand des rbb hingegen kann den Bedürfniss­en von Dawit A. nicht entspreche­n. »Tischler und Anlagenmec­haniker bilden wir nicht aus. Im technische­n Bereich können Sie bei uns Fachmann für Veranstalt­ungstechni­k werden.« Was ist das?, will der Eritreer wissen. »Sie müssen die Aufbauten im Studio bauen.« Was sind Aufbauten, was ist ein Studio? Er geht weiter.

Am Stand einer Innung, die Anlagenmec­haniker ausbildet, wird er enttäuscht. Ausgerechn­et für seinen Traumberuf sind die Anforderun­gen in der deutschen Sprache höher als in den meisten anderen Ausbildung­sberufen. Er müsste die Deutsch-Prüfung B2 absolviere­n und dafür erneut mehrere Monate die Sprache lernen. Bis zum neuen Ausbildung­sjahr kann er das nicht schaffen.

Doch ein paar Stände weiter bekommt er eine neue Anregung. Ein Transportu­nternehmen sucht händeringe­nd neue Bahnfahrer. »Die Personalno­t ist in unserer Branche noch höher als im Pflegebere­ich«, sagt der Vertreter. Dawit A. fände es spannend, am Fahrpult eines Zuges zu sitzen. Gut findet er auch, dass die Ausbildung­szeit hier nur neun Monate beträgt und ihn dann ein attraktive­s Einkommen erwartet.

Am Nebenstand wirbt eine Reederei um Nachwuchs für Fahrgastsc­hiffer. Das würde Dawit A. auch reizen. Aber der Stand ist so dicht umlagert, dass er gar keine Chance hat, seine Fragen zu stellen.

»Der Aufwand ist höher, aber die Menschen sind motivierte­r.« Bernd Becking, Leiter der Landesarbe­itsagentur

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