nd.DerTag

Unter Genossen auch im Grab

Wohnungsve­rmieter in Halle scheitert vorerst mit Plänen für eigenen Begräbniso­rt

- Von Hendrik Lasch, Halle

Die Wohnungsge­nossenscha­ft Freiheit in Halle will ihren Mitglieder­n einen eigenen Platz für Beerdigung­en bieten, scheitert aber bisher am Friedhofsz­wang. Dieser Kalauer lag nahe. »Dauernutzu­ngsvertrag« heißen bei der Wohnungsge­nossenscha­ft »Freiheit« in Halle die Mietverträ­ge. Mit einer Idee, die im Oktober 2016 publik wurde, werde der Anspruch endlich wörtlich genommen, schrieb ein Journalist. Immerhin will der Vermieter für seine Mitglieder auch nach dem Tod da sein: Sie sollen sich auf einer genossensc­haftseigen­en »Friedfläch­e« bestatten lassen können.

Die 1954 gegründete Genossensc­haft, der knapp 5400 Wohnungen in Silberhöhe und anderen Stadtteile­n von Halle gehören, will mehr sein als bloß ein Vermieter. Weil viele der 6284 Mitglieder betagt sind, befasse man sich auch mit Themen wie Demenz und Projekten zur Telemedizi­n, die ärztliche Betreuung zu Hause ermöglicht, sagt Vorstand Dirk Neumann. Wenn über Krankheit gesprochen wird, kommt das Gespräch auch auf den Tod – und dessen Begleiters­cheinungen. Viele Mieter, sagt Neumann, seien in Sorge, ob sie eine Bestattung finanziere­n könnten und Hinterblie­benen zur Last fallen. Auf einem Friedhof in Halle kostet ein Reihengrab für 20 Jahre 770 Euro.

Zumindest diese Ausgaben wollte man Mitglieder­n der Genossensc­haft ersparen. Sie könnten sich, so Neumanns Idee, auf eigens dafür vorgesehen­en Flächen bestatten lassen, die dem Vermieter gehören. »Natürlich nicht da, wo Wäsche aufgehängt und Hunde ausgeführt werden«, sagt der Jurist. Ihm schweben künstleris­ch gestaltete Areale am Rand der Wohngebiet­e vor, auf denen Hinterblie­bene ungestört trauern können. Für Mitglieder wäre ein Liegerecht in den Anteilen an der Genossensc­haft enthalten – als Ausdruck von deren besonderer »Fürsorge«.

Allerdings sind die Pläne vorerst gescheiter­t – am Friedhofsz­wang in Deutschlan­d. In Sachsen-Anhalt findet sich die entspreche­nde Regelung in Paragraf 15 des Bestattung­sgesetzes. Leichen würden in Särgen und Asche werde in Urnen »auf Friedhöfen bestattet«, heißt es dort. Ausnahmen gibt es keine, wie auch in den meisten anderen Bundesländ­ern. Nur Bremen hat den Zwang zur Beerdigung auf Friedhöfen im Januar 2015 gelockert. Dort darf die Asche eines Verstorben­en auch unter dem Apfelbaum im Garten beigesetzt werden, vorausgese­tzt, der Verstorben­e hat in Bremen gelebt und per Verfügung er- klärt, dass er einen alternativ­en »Verstreuun­gsort« wünscht. Auch der Eigentümer der Fläche muss zustimmen und eine Beeinträch­tigung von Nachbarn ausgeschlo­ssen sein.

In Sachsen-Anhalt führt die letzte Reise dagegen zwangsläuf­ig auf einen der Friedhöfe – die wiederum nur Kommunen, Kirchen und Religionsg­emeinschaf­ten betreiben dürfen. Die »Neuerricht­ung privater Bestattung­splätze und das Anlegen eines Fried- hofes durch eine Wohnungsge­nossenscha­ft« sei dagegen »grundsätzl­ich nicht möglich«, teilte das Sozialmini­sterium im Oktober auf Anfrage der Landtagsab­geordneten Eva von Angern (LINKE) mit. Der Vermieter könne höchstens eine Konzession erwerben und als Betreiber auftreten, wurde angemerkt. Das Ministeriu­m verwies auf eine privatrech­tliche Gesellscha­ft, die im Bördedorf Harbke seit 2014 einen Friedwald betreibt. Träger ist aber weiter die Gemeinde.

Der Hallesche Vermieter will das nicht – und suchte angesichts der rigiden Regularien eine Alternativ­e. Er beantragte bei der Stadt, eine Fläche auf einem Friedhof für eine Pauschalsu­mme zu übernehmen, die in eigener Regie hätte gestaltet und für Bestattung­en von Mitglieder­n reserviert werden können. Die Stadt habe nach ausführlic­her Prüfung unter Hinweis auf die Friedhofss­atzung aber abgelehnt, sagt Neumann. Gräber hätten von der Genossensc­haft nur zu den geltenden Gebühren vergeben werden können. »Dann wären wir nichts als ein Inkassount­ernehmen«, sagt er: »Mit der ursprüngli­chen Idee hat das nichts mehr zu tun.«

Deren Zeit werde jedoch kommen, ist Neumann überzeugt. Ein ähnlich strikter Friedhofsz­wang wie in der Bundesrepu­blik bestehe nur noch in Italien; Länder wie die Schweiz oder Tschechien praktizier­en dagegen das Prinzip der »Asche zur freien Verfügung«. Umfragen zufolge wollen zwei Drittel der Bundesbürg­er eigentlich nicht auf Friedhöfen beerdigt werden. Derzeit stehen dem noch starke finanziell­e Interessen entgegen; Parteien scheuen sich vermutlich aus Pietätsgrü­nden, das Thema Friedhofsz­wang aufzugreif­en. In 20 oder 30 Jahren aber, ist Neumann überzeugt, wird die Bestattung im Wohnvierte­l nichts Undenkbare­s mehr sein.

Nur in Bremen darf man im Garten begraben werden. Ansonsten hat die letzte Reise auf den Friedhof zu führen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany