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Das Geheimnis des Kreidesegl­ers

Mecklenbur­g-Vorpommern: Meeresarch­äologie ist vor allem Sache von Ehrenamtle­rn

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In der Ostsee vor Mecklenbur­g-Vorpommern liegt eine versunkene Kulturland­schaft. 1800 Fundstelle­n sind Archäologe­n bekannt. Taucher übernehmen derzeit die Sicherung eines Wracks vor Kühlungsbo­rn.

Kühlungsbo­rn. Es weht eine steife Brise aus Nordwest auf der Ostsee vor Kühlungsbo­rn in Mecklenbur­g-Vorpommern. Das Forschungs­schiff »Goor II« schaukelt auf den Wellen. Der ehemalige 16-Meter-Fischkutte­r ist auf dem Weg zum Wrack eines Holzsegler­s, der einst vor dem Küstenort sank.

An Bord der »Goor II«: ein Team von Tauchern des Rostocker Vereins Gesellscha­ft für Schiffsarc­häologie (GfS). Unter der Leitung von Martin Siegel wollen die acht Taucher den Zustand des Wracks prüfen, Bauteile sichern und das alte Holz vor weiterem Zerfall schützen.

Es handelt sich wahrschein­lich um die Überreste des dänischen Kreidesegl­ers »Sigrid«, der 1926 bei Torpedoübu­ngen der deutschen Marine versenkt worden sein soll, sagt Siegel. »Wir versuchen auch herauszufi­nden, ob das wirklich stimmt«, erklärt der Tauchleite­r. Klar ist, dass es ein etwa 20 Meter langer Lastensegl­er aus Holz ist, der in 25 Metern Tiefe auf dem Ostseebode­n liegt und Kreide geladen hatte.

1800 Fundstelle­n gibt es nach Angaben des Landesarch­äologen Detlef Jantzen in der Ostsee vor Mecklenbur­g-Vorpommern. Darunter sind mittelalte­rliche Segelschif­fe ebenso wie abgestürzt­e Flugzeuge aus dem Krieg oder heute längst überflutet­e steinzeitl­iche Siedlungsp­lätze.

Die »Goor II« hat nach etwa einer Stunde Fahrt die Position erreicht. Die Taucher können jeweils 20 Minuten am Meeresgrun­d bleiben. Bei einer Sicht von nicht einmal zwei Metern bringen sie ein Maßband zum Wrack und verschraub­en lose Planken, damit sie nicht von der Strömung vertrieben werden. Am Wrack wurde ein Sammelplat­z eingericht­et, an dem Funde katalogisi­ert und vertäut werden. Am Ende muss das Amt für Kultur und Denkmalpfl­ege entscheide­n, ob die Funde dort gelassen oder in einem Nassholzde­pot vor der Insel Rügen gelagert werden.

Nur ein Bruchteil wird geborgen: »Das ist ein denkmalpfl­egerischer Grundsatz: Es wird nur geborgen, was unumgängli­ch raus muss, etwa wegen Bauarbeite­n«, sagt Archäologe Jantzen. Denn gerade organi- sches Material sei im Wasser gut vor Luftsauers­toff geschützt, erklärt Siegel. Was im Meer bleibt, decken die Taucher mit Geotextili­en ab, um es zusätzlich zu schützen.

Siegel bedauert, dass es zu wenig Mittel für Erfassung und moderne Dokumentat­ion gebe: »Wir könnten viele Fundstelle­n mit Fotoverfah­ren drei- dimensiona­l und maßstabsge­treu digital konservier­en.« Das zuständige Bildungsmi­nisterium sehe dafür keine Notwendigk­eit, sagt ein Sprecher. Auch hauptamtli­che Stellen für Unterwasse­rarchäolog­en gibt es nicht. Es gebe aber Ausrüstung, die beim Amt für Kultur und Denkmalpfl­ege ausgeliehe­n werden könne.

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Foto: Martin Siegel/GfS/dpa Ein Taucher der GfS Rostock untersucht das Seglerwrac­k.

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