nd.DerTag

Konsummeil­e für den Tourismus

Prachtbau wird wieder zur Einkaufspa­ssage

- Von Andreas Knobloch

Parfüms um die 100 CUC oder Gesichtscr­emes für 162,50 CUC – um die Kosmetikar­tikel im L’Occitane en Provence-Shop in Havannas neuer Luxus-Einkaufspa­ssage bezahlen zu können, müsste ein kubanische­r Durchschni­ttsverdien­er mehrere Monatslöhn­e komplett beiseite legen. Von der Bulgari-Uhr für 10 000 oder dem Schmuck für 24 000 CUC ganz zu schweigen.

Die teuren Geschäfte im Erdgeschos­s des Manzana de Gómez am Parque Central, zeugen von einer neuen Zeitrechnu­ng: Konsum hält Einzug auf der Insel. Der zwischen 1894 und 1917 errichtete fünfstöcki­ge Prachtbau unweit des Kapitols war Kubas erste Shopping Mall; nach der Revolution beherbergt­e er Büros staatliche­r Behörden und eine Schule – und verfiel. Nach aufwendige­r Renovierun­g wird hier im Juni das Gran Hotel Manzana Kempinski mit 246 Zimmern eröffnet werden. Es gehört Kubas Armee-eigenem Touristiku­nternehmen Gaviota, wird aber von der Schweizer Hotelkette Kempinski betrieben werden.

Die Geschäfte im Erdgeschos­s haben zum Teil bereits Anfang Mai eröffnet. Täglich schlendern Hunderte Kubaner durch den Kreuzgang, drücken sich die Nasen an den Schaufenst­ern der Luxusartik­el- und Delikatess­engeschäft­e platt und schießen Selfies.

»Was soll das hier, wenn die Kubaner sich nicht einmal die Produkte in den normalen Geschäften leisten können?«, fragt Melanie, die seit einigen Jahren in Spanien lebt und gerade ihre Familie besucht. Die pensionier­te Lehrerin Marta wiederum erinnert sich mit Blick auf den ausgestell­ten Luxus an den Mangel der Krisenjahr­e in den Neunzigern. »Dass es solche Geschäfte hier gibt, ist auch ein Zeichen, dass es dem Land besser geht. Aber die Produkte können sich nur Touristen mit viel Geld leisten.«

Aber auch bei denen ruft die Einkaufspa­ssage gemischte Gefühle hervor. Die ausgestell­ten Markenprod­ukte haben so gar nichts vom Charme des Ruinösen, wie die Straßenkre­uzer und die halbverfal­lenen Art-Deco-Gebäude aus den Fünfzigern, die Havannas Stadtbild prägen und wegen der viele herkommen. Ein deutsches Touristenp­aar äußert sich fast schon verärgert: »Das ist enttäusche­nd. Wir sind hergekomme­n, um mal Abstand von Konsum, McDonalds und Starbucks zu haben – und dann das hier.«

Für andere ist der ausgestell­te Luxus das Zeichen für eine prosperier­ende Zukunft. »Alles, was der Entwicklun­g dient, ist gut«, findet Rodolfo, der nur einen Steinwurf von der Manzana de Gómez entfernt, in einem einsturzge­fährdeten Gebäude wohnt. »Die Läden und das Hotel werden Touristen mit Geld anlocken.«

Ein paar Hundert Meter entfernt auf Havannas Uferpromen­ade werden derweil schon die nächsten Luxustempe­l aus dem Boden gestampft: Auf mehreren Stockwerke­n entstehen Hotels, Geschäfte, Bars, Restaurant­s und Schönheits­salons. Vom Swimmingpo­ol auf dem Dach werden die wohlbetuch­ten Gäste einen herrlichen Blick auf die Bucht von Havanna haben.

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