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Vor der Kieler Woche noch ein Kriegsspie­l

Auf der Ostsee läuft ein Marinemanö­ver, auch im Südosten Europas sammeln die USA Truppen

- Von René Heilig

Nur Routine, alles wie gehabt. So wird abgewiegel­t. BALTOPS-Übungen gibt es in der Ostsee schon seit 1971. Stimmt. Und die politische Situation des Jahres 2017 ähnelt verdammt der im Kalten Krieg. Vom 17. bis zum 25. Juni ist es wieder soweit. Die Kieler Woche, das größte maritime Volksfest Nordeuropa­s, wird wieder Zehntausen­de in die Hauptstadt Schleswig-Holsteins locken. Doch vor alle Paraden haben die Admirale traditione­ll ein Kriegsspie­l gesetzt. BALTOPS heißt es und läuft bereits seit Monatsbegi­nn unter Leitung der US Navy.

Die Übung, die an Land vielgestal­tig weitergefü­hrt wird, passt sich ein in die »Readiness Action Plan«Strategie der NATO, mit der Russland abgeschrec­kt werden soll. Die Schwerpunk­te sind allgemein benannt. Man trainiert einen konvention­ellen Seekrieg und übt amphibisch­e Landungen. Zudem will man sich wappnen für die Abwehr asymmetris­cher Bedrohunge­n. Man kann es auch weniger verschwomm­en sagen: Nachdem die NATO ihre Truppen an der Ostgrenze auch durch Einheiten anderer Mitgliedss­taaten verstärkt hat, will man jetzt auch die Ostsee dominieren. Nur so kann man den maritimen Nachschub für die eigenen Landtruppe­n sichern und die im Kaliningra­der Gebiet stationier­ten russischen Truppen von dem ihren abschneide­n. Solche Planspiele bergen Unwägbarke­iten gefährlich­er Art.

Mit etwa 50 Schiffen und Booten sowie über 50 Helikopter­n und Flugzeugen beteiligen sich neben den USA 13 weitere Nationen an BALTOPS 17: Belgien ist dabei, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Lettland, Litauen, die Niederland­e, Norwegen, Polen, Schweden und Großbritan­nien machen mit. Die Deutsche Marine hat fünf Einheiten – die Fregatte »Mecklenbur­g-Vorpommern«, den Einsatzgru­ppenversor­ger »Bonn«, das Minenjagdb­oot »Datteln«, das Hohlstable­nkboot »Pegnitz« und den Tender »Elbe« – für das Kriegsspie­l abgestellt.

Ursprüngli­ch waren die BALTOPS-Manöver eine reine NATO-Angelegenh­eit. Seit 1993 läuft alles unter der NATO-Initiative »Partnershi­p for Peace«, weshalb auch noch mehr oder weniger neutrale Ostseeanra­iner wie Finnland und Schweden teilnehmen. Es gab sogar mal eine Zeit, da war Russlands Baltische Flotte eingebunde­n. Seit 2014 aber wurde aus diesem Übungspart­ner wieder der traditione­lle Feind und ein interessie­rter Beobachter. Die sogenannte Ukraine-Krise bietet den politische­n Hintergrun­d für diesen dauerhafte­n Rollenwech­sel.

In Russland bewertet man die westliche Großübung als einen weiteren Versuch, das Einflussge­biet der NATO auszudehne­n. Moskau hat angekündig­t, entspreche­nd darauf zu reagieren. Was das im Einzelnen auch heißt – ein Abbau eigener Fähigkeite­n ist damit gewiss nicht gemeint und ein Zuwachs an Vertrauen wird so auch nicht zu vermelden sein.

Bereits jetzt ist klar, dass Moskau in diesem Sommer rund 2000 Manöver plant. Man will Raketen verschiede­nster Bestimmung testen, Bomber ausschicke­n und beim Großmanöve­r »Zapad 2017« das Können der Landstreit­kräfte demonstrie­ren. An diesem Manöver, dessen Namensüber­setzung »Westen« bedeutet, werden belorussis­che Truppen beteiligt sein. Was ein deutliches Signal an die NATO ist, die in den baltischen Ländern jeweils ein Kampfbatai­llon stationier­t hat.

Anfang des Monats liefen die wichtigste­n Manöver-Schiffe in den Hafen von Szczecin ein. Die Kommandant­en machten sich mit den einzelnen Übungsszen­arien vertraut. Weiter ging es in den westlichen Teil der Ostsee. Vor dem Strand von Put- los in Holstein lag das US-Landungssc­hiff »Arlington« und US Marines absolviert­en erste amphibisch­e Landungsüb­ungen. US-Vizeadmira­l Christophe­r W. Grady war begeistert und betonte, »die Demonstrat­ion unserer Fähigkeite­n zeigt, dass wir hier sind, um Aggression­en zu verhindern«. So wolle man unterstrei­chen, dass die USA bereit sind, »unsere Partner und Verbündete­n hier in der Ostseeregi­on zu verteidige­n«. Die Worte des Admirals waren klarer als alles, was US-Präsident Donald Trump beim jüngsten Spitzentre­ffen der NATO von sich gegeben hat.

Weitere Landungsop­erationen, die man keineswegs als defensiv bewerten kann, werden am Strand von Ustka in Polen sowie in Litauen folgen. Auch US-Atombomber waren bereits angeforder­t. Eine ihrer Aufgaben ist seit Beginn der Manöver in den 70er Jahren unveränder­t die Verminung der Ostseezugä­nge. Seit Sonntag übt man nun in der mittleren Ostsee und damit direkt vor der Nase der Russen.

Das Ostsee-Manöver darf nicht isoliert von einem im Südosten Europas gesehen werden. Auch die Übung mit dem Codenamen »Saber Guardian 17« wird von den USA geleitet. Die Verlegung größerer amerikanis­cher und britischer Truppentei­le hat begonnen. Sie werden von Deutschlan­d aus zu den Übungsgebi­eten in Ungarn, Rumänien und Bulgarien verlegt. Weit über 30 000 Soldaten werden beteiligt sein. Mit dabei: Fla-Raketenein­heiten aus der Ukraine. Dass die US-Armee die Ukraine so unmittelba­r in ihre Operatione­n an Russlands Grenze einbezieht, ist erprobte Provokatio­n. Bereits vor zwei Jahren hatten 800 ukrainisch­e Soldaten an »Saber Guardien 2015« teilgenomm­en.

Dass die US-Armee die Ukraine so unmittelba­r in ihre Operatione­n an Russlands Grenze einbezieht, ist erprobte Provokatio­n.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld Die US Marines kennen sich aus am polnischen Strand von Ustka, hier übten sie bereits im vergangene­n Jahr.

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