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Rote Socken kommen wieder in Mode

Die Thüringer CDU feilt bereits an ihrer Strategie für den Landtagswa­hlkampf 2019

- Von Sebastian Haak

Die CDU in Thüringen bereitet sich mit vier Regionalko­nferenzen auf die nächste Landtagswa­hl vor. Die Konferenz für den Süden des Freistaats hat einen Hinweis darauf gegeben, wie der Wahlkampf ablaufen dürfte. Mike Mohring hat einen Plan, und der ist nicht mal schlecht. Um sich im Landtagswa­hljahr 2019 ganz auf den Kontakt zum Wähler konzentrie­ren zu können, will der CDU-Landesvors­itzende in diesem und vielleicht noch ein bisschen im nächsten Jahr vor allem mit der eigenen Basis darüber diskutiere­n, welche Angebote die Union den Menschen in Thüringen machen kann; welche Alternativ­en sie zu Rot-Rot-Grün zu bieten hat. Möglicher innerparte­ilicher Streit soll so vor dem eigentlich­en Landtagswa­hlkampf ausgetrage­n werden, so dass sich die Thüringer CDU dann 2019 ganz auf die Auseinande­rsetzung mit dem politische­n Gegner konzentrie­ren kann.

Gerade weil zuletzt immer mehr Risse im rot-rot-grünen Bündnis deutlich geworden sind, ist das ein schlauer Plan – weil Demokratie zwar vom Streit lebt; die deutschen Wähler streitende Partei aber erfahrungs- gemäß nicht als etwas Progressiv­es, sondern als etwas Schlechtes sehen.

Diesen Plan muss man kennen, um zu verstehen, warum die Thüringer CDU derzeit vier Regionalko­nferenzen im gesamten Freistaat veranstalt­et – so, wie am vergangene­n Mittwochab­end in Oberhof. Was wiederum bedeutet, dass die Diskussion­en, die dort geführt werden und die Aussagen, die dort fallen, wichtige Hinweise darauf geben, wie die CDU in etwa zwei Jahren Wahlkampf gegen Rot-Rot-Grün machen wird. Nicht nur, weil die Parteiführ­ung um Mohring das will. Sondern auch, weil die Parteibasi­s das so will und mitträgt.

Nun darf man die Regionalko­nferenz von Oberhof auch nicht überbewert­en. Denn es ist keine Massenvera­nstaltung, die Anspruch darauf hätte, die Landes-CDU in ihrer Gesamtheit zu repräsenti­eren. Vielleicht 50 Menschen sind im Saal, als der neue CDU-Generalsek­retär Raymond Walk und Mohring zu politische­n Rundum-Betrachtun­gen ausholen. Gerade Mohrings Ausführung­en laufen dabei nach dem bekannten Schema ab: Rot-Rot-Grün, sagt er, stehe ohne echte parlamenta­rische Mehrheit da, das Dreier-Bündnis werde nur noch von einem ehe- maligen AfD-Mann, der heute in den Reihen der SPD sitzt, am Leben erhalten. Die Bildungspo­litik sei eine Katastroph­e, bei der inneren Sicherheit gefährde Rot-Rot-Grün Leben und Gesundheit der Thüringer Polizisten, das Bündnis plane einen »Generalang­riff auf den ländlichen Raum«. Ach ja. Und die Gebietsref­orm: Wenn da das Vorschaltg­esetz vom Thüringer Verfassung­sgerichtsh­of gekippt werde, »dann ist das ein Einschnitt, der nicht ohne Folgen bleiben darf«. Am vergangene­n Freitag trat dieser Fall ein, das Vorschaltg­esetz wurde für nichtig erklärt – die Konsequenz­en sind noch offen. Rot-Rot-Grün muss sich in dieser Woche erst einmal in der Sache neu sortieren.

Allerdings macht das, was auf Mohrings Worte folgt, doch klar, dass man an der Parteibasi­s für den nächsten Landtagswa­hlkampf einem noch weit bekanntere­m Muster zur Auseinande­rsetzung vor allem mit der Linksparte­i ziemlich offen gegenübers­teht: der guten, alten Rote-Socken-Kampagne. Egal nämlich, wie sehr Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) sein rot-rotgrünes Bündnis als Vorreiter einer neuen Normalität in den Ländern und vielleicht auch im Bund preist. Vie- len hier im Saal gilt diese Koalition noch immer mehr als Sündenfall denn als demokratis­che Normalität. Nicht zufällig formuliere­n viele einfache CDU-Mitglieder ihre Attacken auf das LINKE-geführte Bündnis noch viel schärfer als Mohring das an diesem Abend tut.

Da sind zum Beispiel die Parteifreu­nde Mohrings, die mehrfach ar- gumentiere­n, Rot-Rot-Grün wolle eine Gebietsref­orm nur, um die gewachsene­n, konservati­ven Strukturen im Land zu zerstören und dann von unten her, über die neu zu schaffende­n Strukturen die eigene »Ideologie« ins Land zu tragen. Ein Mann behauptet gar, das alles sei ganz im Sinne Lenins, der gefordert habe, für die erfolgreic­he Umsetzung einer Revolution müssten zunächst die alten staatliche­n Strukturen zerschlage­n werden.

Da ist zum Beispiel die Frau, die sagt, sie habe die Wende aktiv mitgestalt­et und fühle sich nun unter Rot-Rot-Grün wieder an die Zeit vor 1989 erinnert: »Das ist das, was wir 40 Jahre erdulden mussten«, sagt sie. Kurz darauf ereifert sie sich: »Man müsste dem Herrn Ramelow mal sagen, was er wirklich ist: Nämlich ein Lügner und ein Betrüger!«

Da ist zum Beispiel der Mann, der sagt, nur die Union verstehe etwas von der inneren Sicherheit und überhaupt seien alle Polizisten »ganz arme Hunde«, die von allen Menschen im Land die wenigsten Rechte hätten. So könne das nicht weiter gehen, deshalb müsse die Polizei viel aktiver werden. »Da gibt’s so ein schönes, schwarzes Stöckchen. Drauf auf die Lichter«, sagt er. Was der Parteiführ­ung dann doch zu viel wird, so dass sich Walk – ein gelernter Polizist – genötigt sieht, klarzustel­len, dass die CDU nicht für Polizeigew­alt stehe und Deutschlan­d noch immer ein Rechtsstaa­t sei.

In eine Rote-Socken-Kampagne passen alle drei Themenfeld­er – Gebietsref­orm, DDR-Aufarbeitu­ng, innere Sicherheit – trotzdem gut; vor allem, wenn man sie ständig miteinande­r vermengt. Auch das ist Teil des Plans.

Vielen im Saal gilt diese Koalition noch immer mehr als Sündenfall denn als demokratis­che Normalität.

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