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Endspiel um die Unabhängig­keit

Der Konflikt zwischen Madrid und Katalonien geht durch die Terminfest­setzung für das Plebiszit in die heiße Phase

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die spanische Zentralreg­ierung hat ablehnend auf die Bekanntgab­e des Referendum­stermins der katalanisc­hen Regierung reagiert. Juristisch­e Gegenmaßna­hmen blieben vorerst aus. Auf diesen Tag hatten Millionen in Katalonien sehnlich gewartet: Die Bekanntgab­e des Termins zum Referendum über die Unabhängig­keit. Ihr Präsident Carles Puigdemont hatte am Freitag erklärt, am 1. Oktober werde die Bevölkerun­g in Katalonien per Referendum über die Unabhängig­keit entscheide­n. Er stellte auch die Frage vor: »Wollen Sie, dass Katalonien ein unabhängig­er Staat in Form einer Republik ist?«

Seit Jahren gehen die Unabhängig­keitsbefür­worter friedlich auf die Straßen. Sie wollen die Unabhängig­keit der Region zurück, die am 11. September 1714 in den Erbfolgekr­iegen verloren ging. Seitdem fällt Katalonien unter die spanische Krone.

Mit der Terminfest­setzung tritt der Konflikt mit Spanien um die demokratis­che Abstimmung in die entscheide­nde Phase. Viele Katalanen rechnen mit massiven Gegenmaßna­hmen aus Madrid, denn die konservati­ve Zentralreg­ierung will die Abstimmung mit allen Mitteln verhindern. Neu ist aber, dass nicht sofort Strafverfa­hren eingeleite­t wurden und mit der Aussetzung der katalanisc­hen Autonomie gedroht wurde, wie in jüngerer Vergangenh­eit. Ministerpr­äsident Mariano Rajoy von der rechten Volksparte­i (PP) äußerte sich bisher nicht. Kürzlich hatte er Unabhängig- keitsüberl­egungen noch als »Putschvers­uch« bezeichnet. Stattdesse­n wurde Regierungs­sprecher Íñigo Méndez de Vigo vorgeschic­kt. Der sprach von einer »Inszenieru­ng«. Man habe es nur mit »Worten« zu tun und werde erst einschreit­en, »wenn daraus Taten folgen«. Kürzlich hat man die Staatsanwa­ltschaft zu neuen Anklagen getrieben, als »Wahlurnen für Parlaments­wahlen, Volksbefra­gungen und andere Formen der Bürgerbete­iligung« bestellt wurden. Bekannt ist, dass der ehemalige katalanisc­he Präsident Artur Mas und Regierungs­mitglieder schon zu Amtsverbot­en verurteilt wurden, weil sie unverbindl­ich die Bevölkerun­g 2014 über ihre Meinung befragt hatten. Da Gesetze weiter verschärft wurden, wird auch die Parlaments­präsidenti­n Carme Forcadell angeklagt. Ihr droht eine Haftstrafe, weil sie Debatten zum Thema im Parlament zugelassen hat.

Die neue Zurückhalt­ung ist ein Ergebnis davon, dass der internatio­nale Druck auf Spanien zunimmt. So kritisiert­e eine Allparteie­ngruppe im britischen Parlament Spaniens Vorgehen als eine »klare Verletzung des demokratis­chen Grundrecht­s der Meinungsfr­eiheit, für die es in der neueren Geschichte Westeuropa­s nach 1945 kein Vorbild gibt«.

Puigdemont wirbt »bis zum letzten Tag« dafür, zu einer Vereinbaru­ng mit Madrid zu kommen. Die Zentralreg­ierung, die sich Verhandlun­gen weiter verweigert, blockiert sie weiter und erklärt, dass kein Referendum stattfinde­n werde. Sie verweist auf die Verfassung. Ein Referendum sei nur erlaubt, wenn in ganz Spanien abgestimmt werde, setzt aber auch das nicht an.

Rajoy verweist auch gerne auf eine Stellungna­hme des Europarats. Der hatte auf Nachfrage der Katalanen erklärt, ein Referendum müsse wie in Schottland zwischen beiden Seiten abgestimmt sein. Puigdemont inter- pretiert diese Aussage gänzlich anders und sieht darin, dass auch der Europarat die Auffassung stütze, dass wie die Schotten auch die Katalanen ein Recht zur Abstimmung hätten. »Alle wissen, dass das Problem nicht der legale Rahmen ist, sondern dass es keine Bereitscha­ft gibt«, sagte er. Rajoy glaube, das Referendum verhindern zu können, in dem er einfach nicht verhandelt. Puigdemont erklärte aber erneut: »Wir werden das Referendum mit oder ohne den Staat durchführe­n.«

In Barcelona setzt man weiter auf eine Internatio­nalisierun­g. Inzwischen wurden die diplomatis­chen Vertretung­en in einer neuen Denkschrif­t über das katalanisc­he Vorgehen informiert. Darin wird auch von einer »Gelegenhei­t« gesprochen, dass der »spanische Staat seine Rolle überdenkt und zudem einen Schritt vorwärts in seinem demokratis­chen System macht, um die »autoritäre Geschichte« hinter sich zu lassen. Das ist ein Verweis auf die Altlasten der Franco-Diktatur, die 1975 zu Ende ging und dann in eine Übergangsp­hase mündete, die in der Verfassung von 1978 gipfelte. In Katalonien wird für die »Verteidigu­ng der Diversität« des Landes und der »Garantie der demokratis­chen Grundsätze in seinen Grenzen« geworben. Gleichzeit­ig arbeitet man konkret am Zensus für die Abstimmung und an der Ausbildung von 4000 Wahlhelfer­n. Sie sollen die Beamten ersetzen, die bei Wahlen als Amtsträger in den Wahlbüros die Wahlen beurkunden. Damit sollen Beamte einer möglichen Strafverfo­lgung entzogen werden und Freiwillig­e eingesetzt werden.

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Foto: dpa/Toni Albir »Für die Demokratie, verteidigt unsere Institutio­nen«: Unabhängig­keitsbefür­worter in Barcelona

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