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Pazifikzug­projekt nimmt Fahrt auf

Boliviens Präsident will mit einer Bahnstreck­e Zugang zum Meer erhalten und Waren günstiger transporti­eren

- Von Knut Henkel

Die Idee, Pazifik und Atlantik per Bahn zu verbinden, ist alt. Nun nimmt sie konkrete Züge an. Triebfeder für den Tren Biocéanico ist die bolivianis­che Regierung. 2025 soll das Mammutproj­ekt fertig sein. Hinter dem Bahnhof von La Paz schwebt die Seilbahn, die rote Linie, nach El Alto hinauf. Ein Zug ist hier schon lange nicht mehr angekommen. Der Bahnverkeh­r wurde irgendwann in den 1990er Jahren eingestell­t. Das soll sich wieder ändern. Bolivien plant die Rückkehr der Schiene und gleich mehrere Nachbarn haben sich für die alte Idee, den Pazifik mit dem Atlantik per Schiene zu verbinden, begeistert. Triebfeder des gigantisch­en Infrastruk­turprojekt­s, das die Häfen von Santos in Brasilien und Ilo in Peru verbinden soll, ist die bolivianis­che Regierung unter Evo Morales.

Die hat großes Interesse an der Verkehrsve­rbindung, da so auch bolivianis­che Produkte kostengüns­tig das Land verlassen könnten – in beide Richtungen. Das ist für Bolivien, das neben Paraguay das einzige Land Lateinamer­ikas ist, welches nicht über ein Zugang zum Meer verfügt, extrem wichtig. »Aber es ist auch ein Infrastruk­turprojekt, das Lateinamer­ika enger zusammenrü­cken lässt«, so Rafael Puente, Analyst und im ersten Kabinett von Evo Morales Vize-Innenminis­ter. Puente begrüßt die Initiative für die Bahnstreck­e. Die soll durch das tropische Tiefland Boliviens über Santa Cruz führen nach Cochabamba führen, dann gilt es, die Anden hochzuklet­tern, um schließlic­h hinunter zum peruanisch­en Ilo zu gelangen – rund 3750 Kilometer.

Mit der Schiene sollen Güter wie Soja und Mineralien und später eventuell auch Lithium schneller Richtung Europa und Asien gelangen. Die Kosten werden auf 10 bis 14 Milliarden US-Dollar (13 Milliarden Euro) geschätzt. Für Morales ist das Projekt der »Panama-Kanal des 21. Jahrhunder­ts«. Von dem träumte schon sein neoliberal­er Vorgänger Gonzalo Sánchez de Lozada alias »Goni«. Es ist pikant, dass der erste indigene Präsident Boliviens das Projekt nun auf den Weg bringen will.

Es hat schon ein paar Hürden genommen, denn nach Brasilien und Peru haben auch Paraguay und Uruguay Zustimmung signalisie­rt. Für den Transport der brasiliani­schen Sojaproduk­tion ist die Strecke ebenfalls von Vorteil, denn die Schiffsfra­cht durch den Panamakana­l oder Kap Horn, immerhin 8000 Kilometer, ent- fällt. Zudem sei die Bahn deutlich günstiger – daher werde sich die Strecke auch rechnen, warb Morales. Er hat die Umsetzung in die Hände seines Ministers für öffentlich­e Bauten, Milton Carlos, gelegt. Der hat sich mehrfach mit dem Staatssekr­etär im Bundesverk­ehrsminist­erium, Rainer Bomba, getroffen, um die Strecke zu planen und die Finanzieru­ng unter Dach und Fach zu bringen.

Daran hapert es noch, denn die europäisch­en Unternehme­n, darunter Siemens, Molinari-Rail aus der Schweiz oder der Tunnelvort­riebsmasch­inen-Produzent Herrenknec­ht sind zwar interessie­rt, aber die Finanzieru­ng steht noch nicht. Geplant ist die Trasse für Güter- wie Personenve­rkehr – eine Absichtser­klärung zwischen dem Bundesverk­ehrsminist­erium und Morales wurde bereits im März unterzeich­net. Doch ob die Deutsche Delegation nun die Investoren suchen wird, um das Projekt auf den Weg zu bringen, wie die bolivianis­che Zeitung »Los Tiempos« Mitte Januar schrieb, darf bezweifelt werden.

Zudem gibt es auf der Strecke von Santa Cruz nach Cochabamba eine »ökologisch komplizier­te Zone«, so Minister Claros. Doch Kritiker vor Ort monieren vor allem, dass bei Infrastruk­turprojekt­e in Bolivien nicht immer sauber kalkuliert und ausgeschri­eben wird. Das bestätigt auch Rafael Puente, der transparen­te Planungs- wie Finanzieru­ngsabläufe einfordert. Das ist doppelt wichtig, denn schließlic­h konkurrier­t die Strecke noch mit einer, die von chinesisch­en Investoren finanziert werden könnte. Die führt allerdings nur durch Brasilien und Peru – und lässt Bolivien links liegen.

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