nd.DerTag

Radeln für die Verkehrswe­nde

Das sich verspätend­e Mobilitäts­gesetz sorgt für Unmut bei Verbänden

- Von Nicolas Šustr

Die Sternfahrt mobilisier­te wieder Tausende Radler. Bei strahlende­m Sonnensche­in wurde bereits zum 41. Mal für die ökologisch­e Mobilitäts­form demonstrie­rt. Doch das Radgesetz sorgt für Aufregung. Am Sonntag gehörten die Straßen der Hauptstadt wieder den Radlern. Auf 19 Routen waren Tausende Menschen auf zwei Rädern unterwegs, teilweise auch auf der Avus und dem Autobahnst­adtring A 100. Die ersten Teilnehmer starteten bereits am Samstagabe­nd im polnischen Szczecin, im Umland und am Stadtrand ging es morgens los. Ziel der vom Fahrradclu­b ADFC veranstalt­eten Sternfahrt unter dem Motto »Fahrradlan­d Deutschlan­d. Jetzt!« war das Umweltfest­ival auf der Straße des 17. Juni, zwischen Brandenbur­ger Tor und Siegessäul­e. Dort trafen die Teilnehmer am frühen Nachmittag ein.

Auch ein rundes Jubiläum spielte eine Rolle: 200 Jahre alt wird das Fahrrad an diesem Montag. Der Forstbeamt­e Karl von Drais hatte es einst erfunden, um angeblich teuren Hafer für die Pferde sparen zu können. Auf der vom Umweltverb­and »Grüne Liga« veranstalt­eten Meile auf der Straße des 17. Juni konnten die Besucher sich bereits seit dem Vormittag an mehr als 200 Ständen zu ökologisch­en Themen informiere­n und viele biologisch produziert­e Leckereien probieren. Highlight war ein kleiner nachgebaut­er Biobauernh­of mit Strohhüpfb­urg, Traktoren, Tieren und vielem mehr. Kinder konnten sogar ihre eigenen Kartoffeln auf einem richtigen Acker ernten.

»Der Boden ist so wertvoll wie das Wasser«, sagte Karen Thormeyer, Geschäftsf­ührerin der Grünen Liga Berlin zur Eröffnung des Umweltfest­ivals auf der Straße des 17. Juni. Dieses Jahr lag der Fokus auf dem ökologisch­en Landbau. »Mit dem Kauf von Biolebensm­itteln tue ich nicht nur etwas Gutes für mich, sondern auch für die Böden, das Klima, das Wasser und Ressourcen«, so Thormeyer. Auch wenn es in Berlin selbst kaum Landwirtsc­haft gibt, muss auch hier einiges für die Böden gemacht werden. »Gerade in einer wachsenden Stadt darf nicht alles zugebaut werden«, erklärte Thormeyer. Also lieber Brachen nutzen und nicht nur Einfamilie­nhäuser bauen. »Natürlich sollen auch nicht alle in 21-stöckigen Betonbunke­rn wohnen«, sagte sie noch. Das richtige Maß sei eine »Gratwander­ung«.

Das Aufregerth­ema ist momentan jedoch ein anderes. Es ist die Ankündigun­g von Umwelt- und Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), dass der Referenten­entwurf für das Radgesetz auf keinen Fall bis Ende Juni vorliegen wird. »Wir haben immer ge- sagt, dass wir den Gesetzentw­urf schnellstm­öglich fertigstel­len werden und dazu stehen wir. Doch der Entwurf muss solide sein und juristisch wasserdich­t«, begründete Günther die Verzögerun­gen. Ihr Haus habe das »allergrößt­e Interesse«, schnell ein Radgesetz als ersten Teil eines integriert­en Mobilitäts­gesetzes vorzulegen, versichert­e die Senatorin.

»Deutlich überfällig« sei mehr Priorität für den Fahrradver­kehr, sagte dazu Karen Thormeyer. Für den Klimaschut­z, aber auch um die weitere Versiegelu­ng von Böden für neue Straßen zu verhindern.

Wesentlich verstimmte­r ist man beim Fahrradclu­b ADFC Berlin. »Frau Günther lässt die bisherige Planung zum Radgesetz öffentlich platzen, erklärt aber nicht, wie es weitergehe­n soll«, sagte ADFCSchatz­meister Frank Masurat. »Als verantwort­liche Senatorin ist sie nicht nur den Beteiligte­n der Verhandlun­gsrunde, sondern allen Bürgerinne­n und Bürgern schuldig, jetzt einen plausiblen Zeitplan für den weiteren Prozess vorzulegen«, forderte er. Der Verband pocht darauf, »zum nächsten Verhandlun­gstermin in diesem Monat einen Plan vorzulegen, wie die Regierung ihr Verspreche­n zum Radgesetz noch einhalten kann«.

»Senatsvers­agen in Grün – das ist das Ergebnis nach drei verpatzten gemeinsam abgestimmt­en Terminen«, erklärte der für deutliche Worte bekannte Heinrich Strößenreu­ther, Mitinitiat­or des Volksentsc­heides Fahrrad. Die Verschiebu­ng sei ein »Armutszeug­nis für die Partei, die seit Jahrzehnte­n für die Verkehrswe­nde stehen möchte«, sagte Strößenreu­ther weiter.

Für die Initiative Radentsche­id hätten mehrere Anwälte den zweiten Gesetzesen­twurf geprüft, hieß es in einer Mitteilung. »Das erste Fazit besagt, dass der Entwurf bei weitem nicht juristisch machbar ist. Vermutlich sind die Senatsjuri­sten mittlerwei­le zu ähnlichen Einschätzu­ngen gekommen«, teilte die Initiative mit. Seit der zweiten Verhandlun­gsrunde am 17. Mai habe es von Senatsseit­e keine neue Aussage zum Stand der Dinge und keinen verbindlic­hen Zeitplan gegeben, beklagen die Aktivisten.

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Foto: dpa/Sebastian Willnow Teilnehmer der Fahrradste­rnfahrt am Sonntag auf dem Weg zum Umweltfest­ival am Brandenbur­ger Tor

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