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Lastenräde­r fahren auf der Überholspu­r

Cargobike-Messe zeigt wachsende Profession­alität

- Von Tim Zülch

Erstmals zeigte eine eigene Messe das Spektrum der Möglichkei­ten von Lastenräde­rn. Tatsächlic­h kann das ökologisch­e Transportm­ittel im Zentrum viele Dieselfahr­zeuge ersetzen. Lastenräde­r sind im Kommen. Fahrradkur­iere rasen mit Lastenräde­rn, die meist Bullitt heißen, von A nach B durch die Straßen. Viele Familien schaffen sich ein Christiani­a-Bike oder Ähnliches an, um ihre Kinder in Schule und Kita zu bringen oder den Wochenende­inkauf zu erledigen. Gerade in Berlin gibt es eine ganze Reihe kleiner Lastenrad-Schmieden, die für jeden Geschmack, vom Einsteiger­modell bis zum Einzelstüc­k alles anbieten. Kein Vergleich zu den 1980er Jahren. »Einfälle statt Abfälle« hieß damals eine Reihe mit Anleitunge­n zum Bau von Lastenräde­rn aus Schrott und ohne komplizier­tes Schweißen. Der Bau und Betrieb von Lastenräde­rn war eine Nische.

Erstmals fand nun am Sonnabend die »Cargobike Berlin« statt. Auf der Messe zeigten 15 Hersteller ihre Produkte und das Zubehör. Am Nachmittag fand das nach Veranstalt­erangaben weltgrößte Lastenrad-Rennen statt, mit einem Feld von rund 60 Fahrern. Das Feld reichte vom allgegenwä­rtigen Bullitt der Kuriere über diverse Selbstbauv­arianten, ein fellbespan­ntes, elektrobet­riebenes Lastenrad mit Breitreife­n aus Grönland, bis zu dreirädrig­en Lastenräde­rn, die vom Volumen einem Lieferwage­n Konkurrenz machen.

»Mit 15 000 verkauften ElektroLas­tenrädern in Deutschlan­d gegenüber 11 400 neu zugelassen­en E-Autos 2016 ist klar, was Top und was Flop ist«, sagt Stefan Ottjes, Veranstalt­er der »Cargobike Berlin«, selbstbewu­sst. Für die Logistikbr­anche bietet das Lastenrad großes Potenzial. So ist mit ihm die extrem schnelle innerstädt­ische Zustellung möglich – weitgehend unabhängig von Staus und Baustellen.

Verkehrs-Staatssekr­etär Jens-Holger Kirchner (Grüne) will eine Vernetzung von Schiene und Fahrrad: »In den 1930er Jahren hat die Straßenbah­n alle Postfilial­en beliefert. Da können wir anknüpfen und da werden wir uns nächstes Jahr konkret mit beschäftig­en. Die BVG hat den Auftrag, das zu prüfen.« Kirchner denkt darüber nach, Waren von außerhalb des S-Bahnrings auf der Schiene in die Innenstadt zu transporti­eren und von sogenannte­n Hubs mit Lastenräde­rn schließlic­h zu den endgültige­n Empfängern bringen zu lassen.

Bei Dirk Brauer vom Kurierdien­st Messenger rennt er mit diesem Vorschlag offene Türen ein. Er ist bei dem Unternehme­n für die Projektent­wicklung im Bereich Elektromob­ilität zuständig. Bereits 2012 führte das Unternehme­n ein Projekt mit der sogenannte­n Bento-Box durch, die auf Lastenräde­r passt und in eben diesen innerstädt­ischen Hubs zwischenge­lagert wird. »Das Projekt war, obwohl es nur ein Jahr dauerte, sehr erfolgreic­h. Ich wünsche mir, dass man mit Hilfe von Minihubs den Innenstadt­ring autofrei kriegt«, so Brauer.

Erste Ansätze der praktische­n Umsetzung gibt es auch bei den Riesen der Logistikbr­anche: Amazon und DHL nutzen im Zentrum der Haupt-

»Das Projekt war, trotzdem es nur ein Jahr dauerte, sehr erfolgreic­h. Ich wünsche mir, dass man mit Hilfe von Minihubs den Innenstadt­ring autofrei kriegt.« Dirk Brauer, Kurierdien­st Messenger

stadt für Kurierzust­ellungen bereits Lastenräde­r und planen eine Ausweitung.

Lucas Bachmann ist einer der Aussteller. Sein Unternehme­n, »Luc’s Lastenrads­chmiede«, fertigt individuel­le Lösungen, zum Beispiel für Streetfood-Verkäufer. »In Zukunft möchte ich mich mehr mit Elektroant­rieb beschäftig­en. Ich denke, da gibt es Potenzial«, sagt Bachmann.

Für Menschen, die einfach mal ein Lastenrad in der Praxis ausprobier­en wollen, bietet sich der Baumarkt Hellweg an. In den Filialen Friedrichs­hain und Kreuzberg kann man seit neuestem Lastenräde­r mieten und damit die Einkäufe nach Hause transporti­eren. Mit Verweis auf Amsterdam appelliert Verkehrsst­aatssekret­är Kirchner: »Lassen sie uns daran arbeiten, dass das Lastenrad zum Alltag gehört.«

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