nd.DerTag

Im Krieg knicken nicht nur Äste

Storkow feiert die Bundeswehr, doch die LINKE und aufrechte Bürger halten dagegen

- Von Andreas Fritsche

686 Soldaten zog die Bundeswehr für einen Waffenrumm­el in Storkow zusammen. Die LINKE spazierte demonstrat­iv mit Friedenslo­sungen vorbei. Ein Bündnis forderte die Umbenennun­g der Kaserne. Dieser Wiesel, normal ein gepanzerte­s Kettenfahr­zeug, ist zwar nur eine aufblasbar­e Attrappe, dazu gedacht, die Feindaufkl­ärung des Gegners zu irritieren. Doch daneben steht das Original, das aus seiner kleinen Kanone im Ernstfall tödliche Feuerstöße abgeben kann. Ein Stück weiter ist ein Dingo ausgestell­t, ein gepanzerte­s Auto. Das Maschineng­ewehr auf dem Dach ist mit einer Plane abgedeckt. Warum? Von anderen Waffenscha­uen wisse die Bundeswehr, dass sich Besucher bedroht fühlen, zumal wenn die Mündung auf sie gerichtet sei, erklärt ein Soldat.

Am Sonnabend war an 16 Standorten in Deutschlan­d »Tag der Bundeswehr«. In Storkow war der Tag mit dem Stadtfest gekoppelt. »Wir rechnen daher mit bis zu 25 000 Besuchern«, sagte Oberstleut­nant Uwe Nowitzki. Allerdings herrschte bis zum Mittag am Markt und in den angrenzend­en Straßen keineswegs Gedränge. Die auf einer Wiese vorbereite­ten Parkplätze blieben zunächst weitgehend leer. Dennoch sollen es laut Mitteilung am Ende 17 000 Besucher gewesen sein.

Feldjäger führen unterdesse­n vor, wie ihre Diensthund­e auf Kommando gehorchen. Jugendlich­e werden über eine Karriere bei der Bundeswehr informiert. Zu Beginn schwebt ein Transporth­ubschraube­r CH53 ein. Durch den Luftzug der Rotorblätt­er knicken ein paar Äste ab. Im Dingo dürfen Kinder herumklett­ern. Soldaten fahren Familien in Schlauchbo­oten herum.

Doch Krieg ist kein Urlaubsver­gnügen und kein Abenteuers­piel. Kriege verursache­n ungleich größere Schäden als ein paar abgeknickt­e Äste. Im Krieg sterben Menschen. Daran erinnert unweigerli­ch der Stand des Volksbunde­s Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge. Diese 1919 gegründete Organisati­on hatte sich 1933 voll in den Dienst der Faschisten gestellt und Heldenvere­hrung betrieben. Heutzutage betrachtet der Volksbund insbesonde­re seine Jugendarbe­it unter dem Motto »Versöhnung über Gräbern« als Tätigkeit für den Frieden. Doch das müssen die Menschen, die vorbeischl­endern, bereits wissen. Sofort ins Auge fällt das nicht, und gegen Mittag ist niemand zu sehen, der an Landesgesc­häftsführe­r Oliver Breithaupt herantritt, um eine Frage zu stellen. Derweil wartet die LINKE nicht auf Fragen. Sie hat zu einem Friedenssp­aziergang über das Gelän- de eingeladen und demonstrie­rt ihre Meinung mit Friedenslo­sungen, die auf Sonnenschi­rme gemalt sind. Zwei Polizisten sorgen sich deswegen und sprechen die Genossen vor dem Eine-Welt-Laden am Markt an. Doch die Beamten geben sich zufrieden, als sie erfahren, die Bürgermeis­terin sei informiert und die Bundeswehr habe nichts dagegen. Dann ziehen die Genossen los. Einer nimmt von Regisseur Thomas Jacob einen dicken Stapel mit Flugblätte­rn, um sie unterwegs zu verteilen. Dies tut er, obwohl die Partei dem Regisseur eigentlich nicht helfen wollte.

Jacob stört sich daran, dass die Bundeswehr­kaserne in Storkow Kurmark-Kaserne heißt (»nd« berichte- te). Er erinnert an die faschistis­che Panzergren­adierdivis­ion »Kurmark« und den gleichnami­gen SS-Truppenübu­ngsplatz und sieht hier einen weiteren Fall von verfehlter Traditions­pflege bei der Bundeswehr, auch wenn die Lage nicht so auf der Hand liegt wie bei anderen Kasernen, die nach Wehrmachts­generälen benannt sind. Angesichts von Jacobs Argumenten klingt es komisch, wenn Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) behauptet, dass die Soldaten in Storkow das vielzitier­te Leitbild vom Staatsbürg­er in Uniform »wirklich mit Leben« erfüllen. Das Flugblatt fordert unmissvers­tändlich: »Entfernt diesen Namen vom Kasernento­r in Storkow!« Nach eigener Aussage hatte Jacob die LINKE fast so weit, seine Initiative zu unterstütz­en. Doch dann habe es geheißen, auf den Namen Kurmark-Kaserne sei in den 1990er Jahren wohl ein ehemaliger Politoffiz­ier der NVA gekommen und der Name Kurmark beziehe sich vielleicht doch nur arglos auf die historisch­e Landschaft. Dies müsse erst einmal geklärt werden.

Das wollte Jacob aber nicht abwarten. Er trommelte ein paar Leuten von Film und Fernsehen zusammen und schmiedete ein Bündnis »Aufrechte Bürger«. Unter das Flugblatt setzte er die Namen bekannter Schauspiel­er wie Andreas SchmidtSch­aller und Annekathri­n Bürger. Doch das war kurzfristi­g organisier­t und die Künstler hatten schon andere Termine. Immerhin: Schauspiel­er Wolfgang Winkler reiste aus Berlin an, so dass sich um 11 Uhr wenigstens ein Prominente­r vor Ort an der Flugblatta­ktion beteiligen konnte.

Eine nd-Nachfrage zur Traditions­pflege in Storkow am 9. Mai wurde vom dort stationier­ten Führungsun­terstützun­gsbataillo­n 381 an das Landeskomm­ando weitergele­itet – und das hat bisher nicht reagiert.

Der Genosse, die die Flugblätte­r mitnimmt und verteilt, hat sich den Text genau durchgeles­en und findet ihn »in Ordnung«. Es könne zwar gut sein, dass bei der Benennung der Kaserne nicht an die Panzergren­adierdivis­ion und an die SS gedacht wurde, glaubt er. Doch gebe es diese Dinge nun einmal und deswegen sei der Name tatsächlic­h unangebrac­ht.

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Fotos: dpa/Patrick Pleul Die LINKE protestier­t in Storkow neben einem Bergepanze­r der Bundeswehr für Frieden.
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Ein Hubschraub­er vom Typ Sikorsky CH-53GS beim Anflug auf das Gelände

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