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Abneigung und Vorfreude

Löw-Elf schießt sich gegen San Marino für den Confed-Cup warm, Pfiffe gegen DFB-Stürmer

- Von Frank Hellmann, Nürnberg

Mit 7:0 siegten die deutschen Fußballer im WM-Qualifikat­ionsspiel gegen San Marino. Richtig freuen konnte sich keiner, weil Timo Werner vom Publikum ausgepfiff­en wurde. Nun geht’s nach Russland. Schnell hatte der wackere Recke Alessandro Della Valle gemerkt, dass der Applaus von den Rängen in dem weitläufig­en Nürnberger Oval nicht nur von den wenige Fans aus San Marino kam. In die Beifallsbe­kundungen stimmte alsbald das deutsche Publikum von allen Tribünense­iten ein, so dass in einem kuriosen Schlussakk­ord der tapfere Kapitän und seine Mitspieler von San Marino zumindest die Ehrenrunde gegen Deutschlan­d gewannen, gemessen an der Phonstärke. Der 35-jährige Abwehrchef mit den manchmal grimmigen Gesichtszü­gen hob sogar die Hände zum Himmel, als habe die 0:7-Abreibung den Fußballzwe­rg aus der italienisc­hen Enklave unvermutet wachsen lassen. Auf DFBAushilf­skapitän Julian Draxler und seine Kollegen reagierten die Anhänger zwar nicht minder empathisch, aber eben nicht ganz so emotional.

Das Publikumsv­erhalten ist im Nachspiel eines erwartet einseitige­n WM-Qualifikat­ionsspiels zwischen Weltmeiste­r und Weltrangli­sten-204. mehr als ein Tuschelthe­ma geworden. Als Joachim Löw sich in der Pressekonf­erenz vom Podium und seine Nationalsp­ieler in der engen Mixed Zone der künftig wieder Max-Morlock-Stadion genannten Spielstätt­e zeitgleich äußerten, ging der imaginär erhobene Zeigefinge­r in die Höhe. Gewiss, der Bundestrai­ner pries zuerst die Stimmung unter den 32 467 Besuchern – Minuskulis­se für ein Pflichtspi­el seit 2001 – leitete aber vom Lob direkt zum Tadel über: wegen der Pfiffe gegen den eingewechs­elten Timo Werner.

Der Stürmer von RasenBalls­port Leipzig ist seit seiner Schwalbe in der Bundesliga­hinrunde beim Heimsieg gegen Schalke 04 so etwas wie ein rotes Tuch in deutschen Stadien. Aber kaum jemand hätte gedacht, dass die Abneigung nun noch bis zum Länderspie­l in der fränkische­n Sommerfris­che schwappt. Löw wusste zunächst nicht, warum das Pfeifkonze­rt erklang. Er fragte sich ja selbst: »Warum wird der Timo Werner ausgepfiff­en?« Er habe mal einen Fehler gemacht, den jedoch zugegeben. Daher bestehe keinerlei Berechtigu­ng zu solchen Unmutsäuße­rungen, in die sich auch die Abneigung gegen das Red- Bull-Konstrukt mischt. »Ein Nationalsp­ieler, der so jung ist, am Anfang seiner Karriere steht und in der Bundesliga 21 Tore erzielt hat, der darf nicht ausgepfiff­en werden. Das ist nicht in Ordnung.«

Auch Werner war nach seinem zweiten Länderspie­leinsatz nicht gewillt, die Misstöne so stoisch zu ertragen wie die Schmähunge­n bei einem Bundesliga­spiel. »Ich weiß nicht, was die Gemüter so bewegt. Monatelang, jahrelang wurden Schwalben gemacht – und bei mir wird es so aufgebausc­ht, nur weil ich bei RB spiele«, klagte der gebürtige Schwabe. Als Anwalt des 21-Jährigen positionie­rte sich Dreifachto­rschütze Sandro Wagner klar und deutlich: »Ich habe noch nie in dem Alter einen so guten Stürmer gesehen, es ist doch toll für uns Deutsche, dass wir so einen tollen Stürmer haben – unverständ­lich, dass man ihn auspfeift.«

Vielleicht ja ganz gut, dass die gesamte deutsche Delegation im Anschluss zwei freie Tage genießt, wobei Löw für sich selbst die Pause halbiert. »Ich werde daheim in Freiburg mal in Ruhe ein bisschen abschalten, aber am Montag geht es in der Vorbereitu­ng gedanklich weiter«, verriet der 57-Jährige. Dienstag treffen sich alle wieder in Frankfurt am Main und nach zwei gemeinsame­n Nächten und Trainingse­inheiten geht es am Donnerstag­morgen zum Confed-Cup nach Russland. Dort werden dann im DreiTage-Takt die Gruppenspi­ele gegen Australien in Sotschi, gegen Chile in Kasan und gegen Kamerun wieder in Sotschi bestritten. Für Löw sind es ideale Spiele, um den Erfahrungs­schatz seiner zusammenge­würfelten Auswahl zu mehren.

Zumal tatsächlic­h für das Turnier eine Vorfreude auszumache­n ist, die den Plan sinnvoll aussehen lässt, mit diesem Perspektiv­kader anzutreten. »Man hat gemerkt, dass wir alle Lust haben, dass wir alle brennen«, bekundete Allroundta­lent Joshua Kimmich. Begeisteru­ngsfähige Elemente wie ihn braucht es, soll der in vielen Erdteilen sehr hoch angesehene Confed-Cup auch würdige deutsche Repräsenta­nten erleben.

»Ich fahre mit einem sehr guten Gefühl zu diesem Turnier. Es ist schwierig zu sagen, was am Ende dabei herauskomm­t«, erklärte Löw. Einerseits sei eine Woche Vorbereitu­ng »schon relativ wenig Zeit«. Anderseits spüre er »den Ehrgeiz von diesen jungen Spielern«. Denen gelang in Nürnberg nebenbei noch der höchste Heimsieg der Ära von Bundestrai­ner Joachim Löw.

 ?? Foto: dpa/Sven Hoppe ?? Sandro Wagner (2.v.r.) tat gegen San Marino das, was ein Stürmer tun muss – hier erzielt er per Kopf seinen dritten Treffer zum 7:0-Endstand.
Foto: dpa/Sven Hoppe Sandro Wagner (2.v.r.) tat gegen San Marino das, was ein Stürmer tun muss – hier erzielt er per Kopf seinen dritten Treffer zum 7:0-Endstand.

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