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Absehbare Katastroph­e

Peruanisch­e Stadt Huarez von Flutwelle bedroht

- Von Regine Reibling, Quito

Die Bewohner von Huaraz kennen die Gefahr. Eine riesige Flutwelle brach 1941 über die peruanisch­e Stadt herein und tötete mehr als 4000 Menschen. Ein Gletscherb­rocken oberhalb des Bergsees Palcacocha war abgebroche­n und ließ das Gewässer auf 4500 Meter Höhe überlaufen. Eine Lawine aus Schlamm und Geröll begrub ein Drittel der Stadt. Auch heute droht Huaraz das, was Wissenscha­ftler als »Glof« (»Glacial Lake Outburst Flood«) bezeichnen. Jetzt könnten die Folgen für die 127 000-Einwohner-Stadt viel schlimmer ausfallen. Die Wassermeng­e des Sees ist durch die anhaltende Gletschers­chmelze um das 35-fache auf 17,5 Millionen Kubikmeter gestiegen, sagt der Leiter des Nationalen Instituts für Gletscherf­orschung, Benjamín Morales.

In Peru, wo sich 70 Prozent der tropischen Gletscher weltweit befinden, haben die Bergketten fast die Hälfte ihrer Eisfläche verloren. Von einer Ausdehnung von knapp 2200 Quadratkil­ometern in den 70er Jahren schrumpfte das Eis auf 1146 Quadratkil­ometer. In Bolivien, Ecuador und Kolumbien ist die Lage ähnlich, der Verlust liegt bei 40 bis 63 Prozent. Die Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien hat ihre Schneedeck­e fast vollständi­g eingebüßt.

Wie stark Eismassen schmelzen, hängt u. a. von der Topographi­e ab, so ein Bericht des weltweiten Gletscherü­berwachung­ssystems. Gletscher in tropischen Regionen wie Peru sind viel stärker von atmosphäri­schen Veränderun­gen wie Sonneneins­trahlung und Niederschl­ag abhängig. Auch Kohlenstof­femissione­n, die sich auf dem Gletscher ablagern, beschleuni­gen die Schmelze. Schwarze Partikel, so von Abgasen aus einer nahen Stadt, absorbiere­n die Sonnenstra­hlen und erhitzen das Eis. Die Konsequenz­en des Gletscherr­ückgangs sind vielfältig. In einigen Regionen komme es zu Trockenhei­t und Problemen in der Landwirtsc­haft, so Gletscherf­orscher Bolívar Cáceres. In anderen Gebieten erhöhe sich die Gefahr von Fluten und Erdrutsche­n.

In Peru arbeiten die Behörden an einem Frühwarnsy­stem für den Gletschers­ee Palcacocha – 20 Kilometer von Huaraz entfernt. Er ist umgeben von zwei Gletschern, die teils direkt über dem Wasser hängen. Beim Abbruch größerer Gletschers­tücke würde der bestehende Damm der Flutwelle nicht standhalte­n. Mindestens 50 000 Menschen wären betroffen.

Bauer Saúl Luciano Lliuya aus Huaraz hat den deutschen Energiekon­zern RWE verklagt. Er will RWE aufgrund des Betriebs von Kohlekraft­werken für die Folgen des Klimawande­ls verantwort­lich machen und erreichen, dass RWE Schutzmaßn­ahmen in seiner Heimat bezahlt. Die Klage war 2016 in erster Instanz abgewiesen worden. Die Berufung soll im November vor dem Oberlandes­gericht Hamm verhandelt werden.

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