nd.DerTag

Autoritäre Versuchung

- Guido Speckmann über Reaktionen auf Macrons Wahlsieg

»La République en Marche« marschiert von Sieg zu Sieg. Aber im Grunde marschiert nur einer: Emmanuel Macron. Seine Bewegung – von einer Partei kann keine Rede sein – ist eine von seinen Gnaden. Die Kandidaten für das Parlament wurden von einem Parteigrem­ium gecastet und aufgestell­t, nicht etwa von Parteiglie­derungen gewählt. Und ins Parlament gewählt werden die zukünftige­n Abgeordnet­en, weil ihr Konterfei neben dem des Präsidente­n prangte. Schon wird Macron mit einem demokratis­ch gewählten Monarchen, gar mit Napoleon verglichen.

Die Glückwünsc­he, gerade aus Deutschlan­d, muten seltsam an. Was wird hier eigentlich begrüßt? Die überwältig­ende Mehrheit für einen europäisch­en Hoffnungst­räger und für Reformbere­itschaft, lautet die Mainstream-Erzählung. Mehrheit. Gerade einmal rund 15 Prozent der französisc­hen Wahlberech­tigten sprachen sich für Macron aus. Seine wichtigste Reform, die des Arbeitsrec­hts, kommt der Kapitalsei­te entgegen und schwächt die Lohnabhäng­igen. Sein Vorhaben, Elemente des Ausnahmezu­standes in gewöhnlich­es Recht zu überführen, bedeutet den Ausbau des Sicherheit­sstaates. Schon 2016 wurden zahlreiche Demonstrat­ionen verboten, die sich gegen die Liberalisi­erung des Arbeitsmar­ktes richteten.

Demokratie lebt von Opposition. Die wird in der französisc­hen Nationalve­rsammlung kaum noch zu finden sein. Aber auf der Straße. Wenn Gewerkscha­ften und Arbeiter erneut gegen die Reform des Arbeitsrec­hts protestier­en.

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