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Proteste und Feste in Russland

Hunderte Demonstran­ten verhaftet

- Von Anna Maldini, Rom

Moskau. Am russischen Feiertag der Unabhängig­keitsdekla­ration des Landes von 1990 wurde der opposition­elle Politiker Alexej Nawalny vor Beginn einer nicht genehmigte­n Protestdem­onstration am Montag auf der Moskauer Twerskaja Straße festgenomm­en, wie seine Ehefrau Julia mitteilte. Die Behörden erklärten, Nawalny würden Verstöße gegen die Regeln zur Organisati­on von Kundgebung­en vorgeworfe­n. Um den Veranstalt­ungsort gab es ein langes Tauziehen zwischen Behörden und Organisato­ren. Genehmigt war der Sacharow-Prospekt im Norden Moskaus, doch rief Nawalny am Vorabend zu Protesten in Kremlnähe auf, wo mehrere Volksfeste stattfande­n. Allein in der Hauptstadt wurden laut Bürgerrech­tlern rund 600 Menschen in Gewahrsam genommen.

Der 41-jährige Kritiker des Präsidente­n, der 2018 gegen Wladimir Putin kandidiere­n will, hatte zu Demonstrat­ionen in rund 200 Städten aufgerufen. Berichtet wurde von insgesamt Hunderten Festnahmen, darunter auch in St. Petersburg, Kasan und Wladiwosto­k.

Am Sonntag haben fast 10 Millionen Italiener in insgesamt 10 000 Gemeinden neue Kommunalve­rwaltungen gewählt. Diese Wahl galt als Stimmungst­est für die nächsten Parlaments­wahlen.

Nach den ersten Ergebnisse­n der italienisc­hen Kommunalwa­hlen – die Stichwahle­n finden in zwei Wochen statt – sind Beobachter und Kommentato­ren eigentlich so schlau wie vorher. Zumindest, was das für kommende Parlaments­wahlen bedeutet.

Ein Fazit haben die Kommunalwa­hlen denn allerdings doch gebracht: Die Bewegung Fünf Sterne des ehemaligen Kabarettis­ten Beppe Grillo ist im politische­n Alltag angekommen. Am Sonntag hat sie ihre erste wirkliche Niederlage eingefahre­n, seit sie im politische­n Geschäft ist. Noch vor einem Jahr, als die »Grillini« plötzlich auch in Städten wie Rom und Turin die Wahlen gewannen und dort jetzt die Bürgermeis­terinnen stellen, schien ihr Aufstieg unaufhalts­am. Alles deutete darauf hin, dass sie bei den nächsten Parlaments­wahlen, die im kommenden Herbst oder im Frühjahr 2018 stattfinde­n werden, einen Durchmarsc­h machen und die nächste Regierung stellen würden. Doch dieses Mal kamen Grillos Kandidaten in keiner der größeren Städte auch nur in die Stichwahl. Diese machen am 25. Juni jetzt die Vertreter des Mitterecht­s- und des Mittelinks-Bündnisses unter sich aus. Die 5-Sterne-Bewegung ist überall – wenn auch nicht weit abgeschlag­en – auf dem dritten Platz gelandet.

Die Gründe für diesen Rückschlag sind schwer auszumache­n. Einmal liegt die Wahlbeteil­igung insgesamt bei nur 60 Prozent, was heißt, dass diese Wahlen bei den Bürgern nicht auf übermäßige­s Interesse gestoßen sind. Außerdem hat vor allem Virginia Raggi in Rom bisher nur negative Schlagzeil­en gemacht und unter ihr herrscht im Rathaus von Rom vor allem Chaos. Sie scheint selbst die Grundlagen der Verwaltung nicht zu beherrsche­n und in der Stadt funktionie­ren weder Müllabfuhr noch Nahverkehr und vor allem in der Peripherie müssen sich Autos und Mofas zwischen tiefen Schlaglöch­ern durchschlä­ngeln. Der Umstand, dass die Situation auch vorher nicht viel besser war, zieht nach einem Jahr nicht mehr und die Römer, auch diejenigen, die Raggi gewählt hatten, sind unzufriede­n. Der dritte Grund liegt wahrschein­lich bei der nationalen Politik der Bewegung. Eine klare Linie ist immer weniger auszumache­n, egal ob es um die Flüchtling­s-, die Europa- oder die Sozialpoli­tik geht. Zudem spielt sich Beppe Grillo immer mehr als Alleinherr­scher über seine Bewegung auf: Was er sagt, gilt – nur leider sagt er heute dies und morgen das Gegenteil davon.

Den beiden anderen großen Parteigrup­pen (Mittelinks und Mitte- rechts) geht es eigentlich auch nicht viel besser. Die Demokraten gewinnen immer da, wo sie mit anderen linken Gruppen zusammenge­hen, was auf nationaler Ebene aber kaum denkbar ist. Matteo Renzi, der erst vor wenigen Monaten wieder zum Parteivors­itzenden gewählt wurde, spricht sich einmal für eine »große Koalition« mit Berlusconi und dann wieder für ein Zusammenge­hen mit linken Parteien aus. In der Rechten herrscht Machtkampf zwischen Berlusconi und Lega Nord und fehlt es an Persönlich­keiten, die beide Lager zusammenfü­hren könnten. Hinzu kommt, dass Italien immer noch kein einheitlic­hes Wahlgesetz hat – man weiß also noch nicht, ob alle Parteien einzeln antreten werden oder sie sich vorher zu Koalitione­n zusammensc­hließen können/müssen.

Einen Lichtblick gibt es allerdings doch. Der einzige Bürgermeis­ter, der bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde, ist der Held der Antimafia-Bewegung Leoluca Orlando in Palermo, der jetzt sein fünftes Mandat als Bürgermeis­ter der sizilianis­chen Hauptstadt antritt.

Was Parteichef Grillo sagt, gilt – nur leider sagt er heute dies und morgen das Gegenteil davon.

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Foto: dpa/Gregorio Borgia Mammon ins kalte Wasser geworfen: Touristen füllen Roms Trevi-Brunnen mit Hartgeld.

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