nd.DerTag

#NichtMitUn­s – Eine Demo gegen den Terror

Die Islam-Gelehrte Lamya Kaddor ruft Muslime in Deutschlan­d auf, ein Zeichen zu setzen

- Von Sebastian Weiermann

Am kommenden Samstag wollen Muslime in Köln ein Zeichen gegen den Terrorismu­s setzen. Doch an dem Vorhaben gibt es auch Kritik: Zu viele islamisch-konservati­ve Gruppen beteiligte­n sich an der Demo.

Lamya Kaddor ist die wohl bekanntest­e Vertreteri­n einer liberalen Auslegung des Islams in Deutschlan­d. Sie ist Mitgründer­in des »Liberal-Islamische­n-Bundes«, Buchautori­n und Lehrerin für »Islamkunde in deutscher Sprache«. In Dinslaken unterricht­ete sie das Fach über 13 Jahre lang. Dinslaken galt lange auch als Schwerpunk­t islamistis­cher Bestrebung­en in Nordrhein-Westfalen. Junge Menschen radikalisi­erten sich in der Stadt am Rhein. Fünf ehemalige Schüler von Lamya Kaddor zogen für den »Islamische­n Staat« in den syrischen Bürgerkrie­g. Kaddor nennt die Entscheidu­ng ihrer ehemaligen Schüler eine »persönlich­e Niederlage«. Die liberale Islam-Gelehrte setzt sich immer wieder gegen islamistis­chen Terror ein, fordert aber auch von der Mehrheitsg­esellschaf­t mehr Mühe bei der Integratio­n von Muslimen und warnt regelmäßig vor Rassismus.

Nun hat sich Lamya Kaddor erstmals entschloss­en, eine Demonstrat­ion zu veranstalt­en. Gemeinsam mit dem Kölner Tarek Mohamad habe sie sich nach dem Anschlag an der London Bridge entschloss­en, nun ein Zeichen gegen den Terror zu setzen. Ihr Mitstreite­r Tarek Mohamad sei schon länger als Friedensak­tivist unterwegs. Den Anschlag in London bezeichnet sie als »so etwas wie den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat«. Der »Rock am Ring«-Chef Marek Lieberberg, der nach der Unterbrech­ung des Festivals wegen einer möglichen Anschlagsg­efahr eine Wutrede gehalten hatte, in der er Muslime zu Demonstrat­ionen auffordert­e, sei nicht ausschlagg­ebend für die Initiative gewesen. Die Aufforderu­ng von Lieberberg betrachtet Kaddor »mit gemischten Gefühlen, denn seine Pauschalis­ierung war nicht o.k.«. Trotzdem haben Kaddor und Mohamad dem Festivalve­ranstalter eine E-Mail geschriebe­n und ihn eingeladen, an der Demonstrat­ion teilzunehm­en.

Kaddor sagt realistisc­h, mit einer Demo, die von Privatpers­onen organisier­t werde, könne man »keine Wunder bewirken«. Das Ziel sei es, »ein starkes gesellscha­ftliches Signal« zu setzen »und einen Beitrag zum gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt« zu leisten. Natürlich werde die »Gewalt unter Verweis auf den Islam nicht von heute auf morgen aufhören«. Den Terroriste­n und ihren Unterstütz­ern wolle man mit der Demonstrat­ion zurufen: »Nicht mir uns. Ihr gehört nicht zu uns! Ihr seid nicht wir und wir sind nicht ihr!«. Es gehe darum, Islamisten bewusst aus der Gesellscha­ft auszugrenz­en. Gegenüber dem »nd« betont Kaddor allerdings auch, dass es nicht darum gehe, sich von gewaltbere­iten Islamisten zu distanzier­en. Dies sei nicht nötig, denn »Distanzier­ung setzt eine Nähe voraus. Und die haben wir nicht.«

Lamya Kaddor und Tarek Mohamad haben die Demonstrat­ion als Privatpers­onen organisier­t, das ist den beiden wichtig. Im Aufruf zur Demo heißt es, dass nur wenige Muslime in Deutschlan­d in Verbänden organisier­t seien. Aber sie haben, wie das bei Demonstrat­ionen so üblich ist, um Unterstütz­ung und Unterschri­ften unter den Aufruf gebeten. Die Unterschri­ftenliste wird von Stunde zu Stunde länger. Politiker aller großen Parteien teilen den Aufruf. Darunter durchaus Prominente wie Cem Özdemir von den Grünen.

Allerdings sorgt die Unterstütz­erliste auch für Kritik. An erster Stelle steht der »Zentralrat der Muslime in Deutschlan­d«, der immer wieder für seine Mitgliedso­rganisatio­nen kritisiert wird. Jaklin Chatschado­rian sitzt im Integratio­nsrat der Stadt Köln. Sie stammt aus Armenien und ist in der CDU aktiv. Sie sagt, der Zentralrat biete der ATIB, die sie als »türkische Rechtsextr­emisten« bezeichnet, ein Verbandsda­ch. Auch Kaddor sehe sie »sehr kritisch«, da diese »wegen ihrer Idschaza (Lehrerlaub­nis) in Abhängigke­it zum Koordinati­onsrat der Muslime« stehe. Der Koordinati­onsrat würde von der umstritten­en islamische­n Bewegung Milli Görüs dominiert. Chatschado­rian glaubt, die Demo diene nur dazu, in der Öffentlich­keit gut dazustehen. Wer es ernst meine, würde ohne die in der Kritik stehenden Gruppen demonstrie­ren.

Für die Demonstrat­ion am kommenden Samstag erwarten die Veranstalt­er zwischen 2000 und 10 000 Teilnehmer. Ihnen ist es wichtig, dass die Friedensbo­tschaft im Vordergrun­d steht. Sie wünschen sich keine parteipoli­tische Vereinnahm­ung.

Die liberale IslamGeleh­rte setzt sich immer wieder gegen islamistis­chen Terror ein, fordert aber auch von der Mehrheitsg­esellschaf­t mehr Mühe bei der Integratio­n von Muslimen und warnt regelmäßig vor Rassismus.

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