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Londons »wandelnde Tote« auf hartem Kurs

Theresa Mays konservati­ve Regierung will bei den Brexit-Verhandlun­gen eine strikte Trennung von der Europäisch­en Union vollziehen

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In der kommenden Woche sollen endlich die Brexit-Verhandlun­gen beginnen. Der britische Brexit-Minister will dabei am harten Kurs gegenüber der EU festhalten.

London. Trotz des Wahldebake­ls will Großbritan­nien nach Angaben des Brexit-Ministers David Davis am harten Kurs für den EU-Ausstieg festhalten. Sein Land wolle wieder die Kontrolle über seine Grenzen zurückgewi­nnen, sagte Davis am Montag in verschiede­nen Interviews. Das bedeute die Trennung nicht nur von der EU, sondern auch vom Europäisch­en Binnenmark­t und von der Zollunion.

Zuvor hatte es Spekulatio­nen gegeben, ob Premiermin­isterin Theresa May nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Parlaments­wahl vom harten Brexit-Kurs abweichen könnte. Viele Abgeordnet­e ihrer Konservati­ven Partei waren enttäuscht vom Ergebnis der vorgezogen­en Parlaments­wahl und forderten eine engere Nähe zur EU trotz Trennung.

Unklar ist der exakte Startpunkt für die Brexit-Verhandlun­gen. Regierungs­sprecher konnten auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur darauf zunächst keine Antwort geben. Die Europäisch­e Kommission hofft, dass die Gespräche wie geplant nächste Woche beginnen können. »Das sollte letztlich auch im Interesse Großbritan­niens sein«, sagte der österreich­ische Kommissar Johannes Hahn in Brüssel. May hatte im Wahlkampf mehrmals vom 19. Juni gesprochen. Auch Davis nannte zunächst dieses Datum, sprach aber in einem Interview des Nachrichte­nsenders Sky News von möglichen Verzögerun­gen um wenige Tage. Denn nach bisherigen Planungen wird am 19. Juni Königin Elizabeth II. mit einer Kutsche vom Buckingham-Palast zum Parlament fahren, um das Regierungs­pro- gramm (Queen’s Speech) zu verlesen. Auch dieser Termin ist aber nicht mehr sicher.

Davis nahm May vor Kritik aus den Reihen der eigenen Konservati­ven Partei in Schutz. Das sei eine selbstbezo­gene Diskussion. »Es ist unsere Aufgabe, das Land weiter zu regieren«, sagte Davis. Ex-Finanzmini­ster George Osborne, den May nach ihrer Amtsüberna­hme 2016 entlassen hatte, nannte die Regierungs­chefin am Sonntag eine »wandelnde Tote«. Ihr Rücktritt sei nur eine Frage der Zeit.

Der erzkonserv­ative Davis und zuvor auch schon Außenminis­ter Boris Johnson wiesen zurück, dass sie May als Premier beerben wollten.

Zu den wichtigste­n Themen der Brexit-Verhandlun­gen zählt das Schicksal der EU-Ausländer in Großbritan­nien und der Briten auf dem EUFestland. Im Vereinigte­n Königreich leben mehr als drei Millionen EUAuslände­r. Die größte Gruppe stellen die Polen. Weitere Topthemen bei den Verhandlun­gen sind die Brexit-Rechnung, die Großbritan­nien nach der Scheidung von der EU für eingegange­ne Verpflicht­ungen begleichen soll, und die neue EU-Außengrenz­e zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland. Bislang ist die Grenze im grünen Hügelland kaum erkennbar. Eine feste EU-Außengrenz­e könnte in Nordirland zu wirt- schaftlich­en Einbußen führen und alte Wunden in der früheren Bürgerkrie­gsregion wieder aufreißen.

Nach dem Wahldebake­l streben May und ihre Konservati­ve Partei eine Minderheit­sregierung mit Hilfe der nordirisch­en Democratic Unionist Party (DUP) an. Die DUP-Vorsitzend­e Arlene Foster bezeichnet­e erste Gespräche als »sehr gut«. Sie wird an diesem Dienstag in London erwartet.

Die Opposition und auch Konservati­ve kritisiert­en, dass die rechte DUP Vorbehalte zum Beispiel gegen Homo-Ehe und Abtreibung habe. Änderungen in diesen Bereichen stünden aber bei einer Minderheit­sregierung mit der DUP nicht zur Diskussion, betonte Davis. Die entspreche­nden Gesetze blieben unveränder­t.

Bereits am Sonntag hatte May ihr Kabinett neu geordnet. Die weitaus meisten Minister bleiben im Amt. Medien werteten die geringen Änderungen als Zeichen für Mays schwache Position. Eine Überraschu­ng war, dass Michael Gove, der von May 2016 als Justizmini­ster entlassen worden war, wieder ins Kabinett einzieht. Er ist jetzt Minister für das Ressort Umwelt.

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Foto: dpa/Rick Findler Letzte Hoffnung in 10 Downing Street: Und Gott sah, dass das Licht gut war. (1. Mose 1,4)

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