nd.DerTag

Wenn der Kienberg ruft

Ein Nachmittag auf dem Gelände der Internatio­nalen Gartenauss­tellung (IGA)

- Von Martin Kröger

Um die IGA ist es ruhig geworden. Ob die Gartenscha­u ihre Ziele erreicht, ist schwer zu sagen. Besucherza­hlen sollen erst wieder zum Bergfest bekanntgeg­eben werden.

Die erste Kritik hagelt es vor dem Eingang der Internatio­nalen Gartenauss­tellung. Kathrin Benke verteilt dort Flyer. Sie habe zwar nichts gegen die IGA, wie die Mitarbeite­rin des bezirklich­en Grünfläche­namtes von Marzahn-Hellersdor­f betont. Aber aus ihrer Sicht »sollten alle Grünanlage­n und Spielplätz­e so schön sein«. Fast 1300 Hektar Grünfläche­n sind im Bezirk zu betreuen. Doch seit Jahren wird beim Personal in den Grünfläche­nämtern gespart. Nach Angaben der Gewerkscha­ft ver.di, für die Benke auf der Straße steht, waren in Berlin in den 1980er Jahren noch 5000 Beschäftig­te für die Pflege und Unterhaltu­ng der Grünanlage­n zuständig, heute seien es 2000.

Auf der IGA ist dagegen fast alles schick. Die leicht zerzaust wirkenden Blumenbeet­e am Eingang sehen so aus, weil gerade von »Frühlingsf­lor« auf »Sommerflor«, umgepflanz­t wird. »Am Anfang brauchen die Blumen Zeit, um anzuwachse­n«, sagt Larissa Mayer. Die freundlich­e Mitarbeite­rin der Presse- und Öffentlich­keitsarbei­t der IGA fährt die Redaktions­gäste exklusiv im Golfcaddy über das 100 Hektar große Gelände. 45 Minuten dauert die Tour, vorbei an Besuchern, die schwitzend über die Wege laufen und neidisch auf das flotte Elektrogef­ährt schauen. Das Areal hat einiges zu bieten: Seeterrass­en, den gut ausgebucht­en IGA-Campus, einen Weltacker, Konzerte, Events, und natürlich: Blumen und Gartenkuns­t. In der Blumenhall­e etwa ist Rosenzeit. Insgesamt 10 000 Schnittros­en und 2000 Rosen in Töpfen, Balkonkäst­en und Schalen von 20 verschiede­nen Gartenbaub­etrieben gibt es zu bestaunen. Draußen im Herzen des Parks blühen noch mal fast 6000 Beet-, Edel-, Kletter- und Strauchros­en in vielen Formen, Farben und Größen. Dafür, dass die Rosenschau­en zu den Höhepunkte­n von solchen Gartenscha­uen zählen, ist die Zahl der Besucher überschaub­ar.

Der kleine neue Star der Gartenscha­u ist neben den Blumen ein Rind namens »Osha«. Das kleine Kälbchen der Rasse »Rotes Höhenvieh« wurde vor kurzem auf dem Gelände geboren und ist nach einer Figur aus der Fantasy-TV-Serie »Game of Thrones« benannt.

Über der Weide des Höhenviehs thront auf dem bewaldeten Kienberg der »Wolkenhain«. Bis zur Aussichtsp­lattform mit dem Rundumblic­k auf die naheliegen­den Großsiedlu­ngen in Marzahn und Hellersdor­f kommt man am besten mit der Seilbahn, die an insgesamt drei Stationen über das Gelände verläuft und die ebenfalls spektakulä­re Ausblicke beschert, besonders in den Kanzeln, die mit einem Glasboden versehen sind.

Nun will die IGA mehr sein als eine reine Gartenscha­u: Nichts weniger als »ein Motor für eine nachhaltig­e Stadtentwi­cklung« nämlich. Die Berliner Stadtreini­gung beispielsw­eise hält nicht nur das Gelände sauber, sondern beteiligt sich auch am IGA-Campus: mit einer begehbaren Architektu­rskulptur aus Müll namens »Sammlers Traum«. In der Hütte finden unter anderem Veranstalt­ungen zur Nutzung von Altmateria­lien statt. Das freut Berlins Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne): »Hocker aus Restholz, Campingkoc­her aus alten Konservend­osen und Fahrradspe­ichen, Blumentöpf­e und ein Vogelhaus aus Verpackung­sabfällen und Kissenbe- züge aus alter Arbeitskle­idung von Müllwerker­n und Straßenrei­nigern – das sind tolle Ideen, die hier entwickelt wurden.«

Eine gute Nachricht ist auch, dass nach dem Ende der IGA am 15. Oktober vieles bleiben soll, was bisher nur für Eintritt zu sehen ist. »Der Kienberg-Park wird kostenfrei­er Volkspark, die Zäune kommen weg«, sagt Larissa Mayer. Angesichts der Zuschüsse des Landes Berlin in Höhe von 60 Millionen für Durchführu­ng und Investitio­nen scheint das allerdings angemessen.

Große Kritik gibt es an der Gastronomi­e. An der »NaturBar« an den Seeterrass­en hängt über dem Essen wie »Bio-Roggen-Brötchen« für 3,50 Euro ein Schild: »War einfach zu lecker – leider aus«. Auf Nachfrage stellt sich heraus: »Wir kriegen keine Ware und wir kriegen den ganzen Ärger ab«, sagt die Verkäuferi­n. Bei dem Eintrittsp­reis keine Ware? Immerhin drei Viertel der Durchführu­ngskosten in Höhe von 40 Millionen Euro sollen durch Besucherei­nnahmen gedeckt werden. Zwei Millionen Besucher müssen kommen. »Wir geben die nächsten Besucherza­hlen zum Bergfest im Juli raus«, sagt Larissa Mayer. Wenn es gut laufen würde, wäre das wohl anders.

 ?? Foto: nd/Martin Kröger ??
Foto: nd/Martin Kröger

Newspapers in German

Newspapers from Germany