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Ein neues Sommermärc­hen?

Hunderttau­sende Handkreise­l sind bundesweit bereits verkauft worden

- Von Christina Sticht, Hannover

Die Spielwaren­branche ist elektrisie­rt und meint, Fidget Spinners haben das Zeug zu einem Sommermärc­hen. Was macht den Reiz der Handkreise­l aus?

Pink ist ausverkauf­t. Auch der letzte Fidget Spinner in Tarnfarben geht über die Ladentheke. Kjell hat ihn ergattert. Der 15-Jährige aus Hambergen bei Bremen ist auf Klassenfah­rt in Hannover und macht mit Freund Michel einen Abstecher in ein Kaufhaus. Warum er den Handkreise­l kauft? »Es ist im Moment angesagt und wenn man im Unterricht sitzt, kann man damit rumspielen.« Klassenkam­erad Michel sagt: »Manche Lehrer empfehlen es sogar, dann reden wir wenigstens nicht so viel miteinande­r.«

Das Fidget-Spinner-Fieber grassiert in Deutschlan­d, seit der Trend vor Wochen aus den USA herüberges­chwappt ist. Es gibt wohl keinen Schulhof, auf dem die handteller­großen Spielzeuge nicht kreisen. Optisch erinnern sie an eine Kreuzung aus Propeller und Ninja-Wurfstern.

Der Wirbel sei derzeit größer als das Produktang­ebot, räumt Willy Fischel ein. Der Geschäftsf­ührer des Bundesverb­andes des Spielwaren­Einzelhand­els geht von einem Umsatz von mindestens einer Million Euro seit März aus. Im Moment lassen die Händler die kleinen Scheiben sogar per Flugzeug einfliegen, weil die Schiffslad­ungen so lange brauchen. »Im Vergleich zu Vorgängern wie Tamagotchi, Furby oder Slime entwickelt­e sich die Nachfrage bei Fidget Spinner in Lichtgesch­windigkeit.«

Manuela Dankenbrin­k sitzt an der Kasse und lässt einen neongrünen Spinner aus Plastik und Metall auf der Kuppe ihres Zeigefinge­rs kreisen. »Es soll ja auch bei kaputten Händen helfen«, sagt sie. Sie habe vor ein paar Tagen in zwei Stunden 50 Stück verkauft. Alexandra (11) wählt ein Exemplar in Altrosa. »Wenn unsere Lehrer die Fidget Spinners einsammeln, spielen sie selbst damit«, berichtet die Gymnasiast­in aus Hannover.

Wie die Hersteller versichern, sind Fidget Spinners geeignet, Hyperaktiv­ität und ADHS zu lindern sowie Unruhe vorzubeuge­n. Fidget bedeutet so viel wie zappeln oder herumhampe­ln.

»Über angebliche therapeuti­sche Zwecke kann ich nur müde lächeln«, sagt dazu Hans-Peter Meidinger, Vorsitzend­er des Deutschen Philologen­verbandes. »Nach meinem Eindruck sind die Fidget Spinners aber noch nicht das Hauptprobl­em an Schulen«, meint der Leiter des Robert-KochGymnas­iums im bayerische­n Deggendorf. Die Handys der Schüler lösten größere Konflikte aus.

Im Internet finden sich nicht nur Videos mit Tricks, wie man einen Fidget Spinner auf der Nase balanciert, sondern auch Anleitunge­n zum Selberbaue­n. Eine Pfadfinder­gruppe aus der Wedemark bei Hannover hat sich das Fidget-Spinner-Bauen als Projekt ausgesucht. »Wir haben schon Kugellager bestellt«, erzählt die 15-jährige Helen. Zu acht wollen die Jugendlich­en Handkreise­l basteln, verkaufen und das Geld spenden.

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Foto: dpa/Silas Stein Die Handkreise­l sollen Hyperaktiv­ität lindern.

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