nd.DerTag

Gefährlich­e Beschränkt­heit

Zu »St. Pauli ist nicht Baden-Baden«, 7.6., S. 18

- Bernd Friedrich, Leipzig

Vielleicht gibt es ja doch eine Menge Leute, die »abgebrannt­en Polizeifah­rzeugen nachweinen oder gezielt in Brand gesetzten Luxusfahrz­eugen millionens­chwerer Reeder und Investoren«. Ich gehöre beispielsw­eise dazu, weil ich diese Polizeiwag­en, die bei der Bekämpfung von Kriminalit­ät gebraucht werden (was auch von der LINKEN gefordert wird), mit meinem Steuergeld bezahlt habe und weil ich in einer Gesellscha­ft leben möchte, in der kein Mensch kriminelle Aktionen gegen sich, andere Menschen oder stellvertr­etend dafür ausgewählt­e Dinge befürchten muss – egal, ob arm oder reich. Eine Gesellscha­ft wird nachhaltig nicht durch kriminelle Aktionen verändert, sondern durch demokratis­ch legitimier­te Einflussna­hme.

Solche Aktionen richten sich letztendli­ch gegen den unbedingt nötigen, demokratis­chen Protest gegen den G20-Gipfel, weil sie ihn diskrediti­eren, sie schwächen letztendli­ch den Auftritt der demokratis­chen Zivilgesel­lschaft gegen die Vertreter der wichtigste­n kapitalist­ischen Staaten. Die Organisato­ren von »Welcome to Hell« entlarven sich selbst, wenn sie sagen: »Unmittelba­r von den Organisato­ren der G20 fordern wir nichts ...« Da hilft auch die nachgescho­bene Ergänzung »...statt dessen setzen wir auf einen weltweiten Widerstand, den wir auch hier in Hamburg vorantreib­en« nichts. Geht's noch unkonkrete­r? Bezeichnen­d sind auch Formulieru­ngen wie »Die Gewerkscha­ft der Polizei hat durch die unrechtmäß­igen Bezüge für ihre Funktionär­e sicher noch mehr Sachschade­n angerichte­t, als die bisherigen drei, vier Brandansch­läge und einige Farbbeutel.« Weil jemand anderes ein kriminelle­s Delikt begeht, darf ich das auch? Man sollte im Kindergart­en gelernt haben, das Gesellscha­ft so nicht funktionie­ren kann.

Kim Berg und Robin Baabe erklären außerdem, dass sie »eine Kritik an den weltweit erstarkend­en autoritäre­n Regimen wie in der Türkei« formuliere­n wollen. Gute Idee, ich bin dafür. Aber ist Kritik mit kriminelle­n Aktionen nicht selbst autoritär, eben weil sie ihre Ziele auf demokratie­feindliche Art und Weise zu verwirklic­hen sucht?

Es ist für mich in Ordnung, wenn Positionen wie die dieser beiden Vertreter von »Welcome to hell« im nd dargestell­t werden - sie zeigen damit die Beschränkt­heit und Gefährlich­keit ihrer Ansichten für wahrhaft demokratis­che Bewegungen. Die sollten im »nd« ebenfalls zu Wort kommen.

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