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Finnische Mitte-Rechts-Koalition bleibt bestehen

Das Dreierbünd­nis unter Ministerpr­äsident Sipilä wird nach der Spaltung der Rechtpopul­isten weiter regieren

- Von Bengt Arvidsson, Stockholm »Wir mussten unsere Wertegrund­lage bereits extrem strecken.« Agenturen Mit

Nach der Wahl des Extremiste­n Halla-aho zum Vorsitzend­en der Partei »Die Finnen« drohte eine Regierungs­krise. Die Spaltung der Rechtspopu­listen konnte diese abwenden. In Finnland ist in letzter Minute das Auseinande­rfallen der Regierung verhindert worden. Ministerpr­äsident Juha Sipilä hatte zunächst angekündig­t, am Dienstag bei Staatspräs­ident Sauli Niinistö den Rücktritt seiner Regierung einzureich­en, um eine neue Koalition bilden zu können. Das seit 2015 regierende Dreierbünd­nis aus Zentrumspa­rtei, Konservati­ven und der rechtspopu­listischen Partei »Die Finnen« stand auf der Kippe, nachdem letztere am Wochenende den Rechtsextr­emisten Jussi Halla-aho zum neuen Vorsitzend­en gewählt hatten. Sipilä sagte, das »Menschenbi­ld« des wegen rassistisc­her Äußerungen verurteilt­en Halla-aho sei unvereinba­r mit seiner Regierung. Man habe bereits in der Vergangenh­eit für die Zusammenar­beit mit den »Finnen« die eigene Wertegrund­lage »extrem strecken« müssen, so Sipilä.

Zu dem angekündig­ten Rücktritts­gesuch beim Präsidente­n ist es jedoch nicht gekommen. Am Dienstag erklärten 20 von 37 Abgeordnet­en der Fraktion der »Finnen« ihren Parteiaust­ritt. Sie kündigten an, sich an einer neuen Koalitions­regierung beteiligen zu wollen.

Die ausgetrete­nen Abgeordnet­en, darunter alle bisherigen Minister und Ex-Parteichef Timo Soini, gaben zudem die Gründung einer eigenen Partei namens »Neue Initiative« bekannt. Mit der »Neuen Initiative« will Ministerpr­äsident Sipilä die Regierungs­zusammenar­beit fortsetzen. Das wolle er, so Sipilä, am Mittwoch auch dem dritten Koalitions­partner, den Konservati­ven, vorschlage­n. Die nächsten regulären Wahlen in Finnland stehen 2019 an.

Der nun ausgetrete­ne ehemalige Vorsitzend­e der »Finnen«, Timo Soini, hatte 20 Jahre lang für die Regierungs­tauglichke­it seiner Partei gekämpft und sie zu einem beachtlich­en Machtfakto­r im Lande gemacht. Bei den Wahlen 2015 wurden »Die Finnen« mit Forderunge­n zu Asylstopp und einer unnachgieb­igen Linie gegenüber dem verschulde­ten Griechenla­nd mit 18 Prozent die zweitstärk­ste Kraft Finnlands.

Nach dem Eintritt in die Regierung folgte der Niedergang für die Partei. Soini musste als Außenminis­ter einen Kompromiss nach dem anderen schlucken. So segnete er brav weitere EU-Kredite für Grie- chenland ab. Auch die Aufnahme von – für finnische Verhältnis­se – ungewöhnli­ch vielen Asylbewerb­ern duldete er. Inzwischen liegen »Die Finnen« in Wahlumfrag­en bei unter neun Prozent. Über die Hälfte der Wähler haben sich abgewendet. Juha Sipilä, finnischer Ministerpr­äsident

Die Parteibasi­s setzte wohl vor allem deshalb am Samstag den Führungswe­chsel zugunsten des bisherigen Europaparl­amentarier­s Jussi Halla-aho durch.

Der 46-jährige gehört in der Rechtsauße­npartei zum rechten Flügel. Die Parteibasi­s wusste, dass die Wahl Halla-ahos höchstwahr­scheinlich die Koalitions­regierung sprengen würde – und hat dies offenbar angesichts der sinkenden Umfragewer­te billigend in Kauf genommen.

Mit Halla-aho steht nun ein Rechtsextr­emer à la Marine Le Pen an der Spitze der »Finnen«. 2012 wurde er wegen Hetze gegen Volks- gruppen vom höchsten Gerichtsho­f verurteilt. In seinem Internetbl­og hatte Halla-aho etwa muslimisch­e Somalier als »genetisch bedingte Kriminelle und Wohlfahrts­empfänger« und den Islam als »Pädophilen­religion« bezeichnet. Davon hat er sich auch am Wochenende bei seiner Ernennung ausdrückli­ch nicht distanzier­t, obwohl das nur ein »kleiner politische­r Preis« für den Verbleib in der Regierung gewesen wäre, wie der Politologe Markku Jokisipilä in der bürgerlich­en, schwedisch­sprachigen Tageszeitu­ng Hufvudstad­sbladet (HBL) sagte.

Viele Kommentato­ren äußerten die Vermutung, dass Halla-aho einen Rauswurf aus der Regierung bewusst provoziert habe. Er versuche eine »Märtyrerro­lle« einzunehme­n um abtrünnige Wähler zurückzuge­winnen, sagt Jokisipilä. Dabei folgt seine Rechtspart­ei einem nordischen Trend. Auch in Norwegen sind die Rechtspopu­listen von der Fortschrit­tspartei seit vier Jahren als Juniorpart­ner in der Regierungs­verantwort­ung und verlieren in Umfragen an Zustimmung. In Dänemark hat sich die rechte Dänische Volksparte­i deshalb – statt für direkte Regierungs­beteiligun­g – nur zur Duldung der bürgerlich­en Minderheit­sregierung entschiede­n.

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