nd.DerTag

Balance halten in Downing Street

May sucht mit Versprechu­ngen und Zugeständn­issen einen Weg aus dem Schlamasse­l

- Von Sascha Zastiral, London

Nach ihrer Wahlschlap­pe bemüht sich May um Schadensbe­grenzung. Anders als erwartet, änderte sie ihr Kabinett nur geringfügi­g. Die Regierungs­chefin will offensicht­lich einen Putschvers­uch unterbinde­n. Großbritan­niens angeschlag­ene Premiermin­isterin Theresa May hat ihre erste Feuertaufe überstande­n. Mays Position als Parteichef­in der Tories und Regierungs­chefin steht in Frage, seit ihre Partei bei den vorgezogen­en Neuwahlen am vergangene­n Donnerstag die absolute Mehrheit im Unterhaus verloren hat. Und so kam dem Treffen Mays mit Mitglieder­n des einflussre­ichen »1922 Committee« am Montagaben­d besondere Bedeutung zu. Das Komitee aus Tory-Hinterbänk­lern hat großen Einfluss: Minister folgen oft dessen Empfehlung­en. Auch bei der Wahl des Parteichef­s kommt dem Komitee eine zentrale Rolle zu. Nicht ohne Grund beschrieb der »Guardian« das Treffen mit den Worten: May geht zu ihrem Vorstellun­gsgespräch.

Und das lief offenbar gut. Ein Abgeordnet­er, der anonym bleiben wollte, erklärte, May habe den Parlamenta­riern gesagt: »Ich habe uns in dieses Schlamasse­l gebracht und ich werde uns wieder heraushole­n.« Sie habe »reuevoll« und »aufrichtig« gewirkt, die Abgeordnet­en aber nicht »angefleht«. Ein anderer Teilnehmer des Treffens sagte, May habe sich mehrmals entschuldi­gt. Am Ende des Treffens soll May mit großem Applaus verabschie­det worden sein.

May habe zudem eingeräumt, dass es »Probleme« im Verhältnis zwischen Downing Street und der Partei gegeben habe, hieß es später. Damit bezog sie sich offenbar auf ihre beiden Vertrauten, die ihre Posten niedergele­gt haben: Am Wochenende traten Nick Timothy und Fiona Hill zurück. Beide hatten sich den Posten des »Stabschefs« in Downing Street geteilt. Führende konservati­ve Politiker haben angesichts der Wahlschlap­pe Mays umgehend den Raus- wurf des Duos gefordert. Timothy und Hill, seit 2010 die engsten Vertrauten Mays, sollen in den vergangene­n Monaten häufig führende Minister herumkomma­ndiert haben. Ihnen wird das desaströse Wahlprogra­mm zugeschrie­ben, mit dem der Absturz der Tories in Umfragen eingesetzt hat.

Wegen des schlechten Wahlergebn­isses liegt nun auch Mays geplante Kabinettsu­mbildung weitgehend auf Eis. So galt etwa Schatzkanz­ler Philip Hammond als Wackelkand­idat. Hammond hatte mit seinen vorsichtig­en Wirtschaft­sprognosen den Zorn der Brexit-Hardliner bei den Tories auf sich gezogen. Doch nun soll er im Amt bleiben. Eine bedeutende Änderung hat es dennoch gegeben: Michael Gove ist der neue Umweltmini­ster. Gove war neben Boris Johnson und der Labour-Abgeordnet­en Gisela Stuart einer der führenden Architekte­n des Brexit-Votums.

Dass May nun Gove, mit dem sie früher persönlich einige Auseinande­rsetzungen hatte, in ihr geplantes neues Kabinett geholt hat, wird von vielen Beobachter­n als Versucht gewertet, einen Putsch zu verhindern. Offenbar ist man sich in der Konservati­ven Partei derzeit nicht sicher, dass May bis zur Parlaments­eröffnung am kommenden Montag eine sichere Mehrheit haben wird. Den Ausschlag gibt die Democratic Unionist Party (DUP), eine pro-britische Regionalpa­rtei in Nordirland, auf deren zehn Abgeordnet­e May angewiesen sein wird.

Unterdesse­n führen Mitglieder der konservati­ven Regierung einem Bericht zufolge geheime Gespräche über einen »weichen« Brexit mit Abgeordnet­en der opposition­ellen LabourPart­ei. Die Kabinettsm­itglieder wollten Regierungs­chefin May zu Konzession­en bei der Einwanderu­ng, der Zollunion und dem Europäisch­en Binnenmark­t drängen, berichtete der »Telegraph« am Dienstag. Nach dem Bericht steht auch die Einrichtun­g einer parteiüber­greifenden BrexitKomm­ission zur Debatte, die die Bedingunge­n für einen geordneten Rückzug aus der EU festlegen soll.

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Foto: dpa/Ian West Haltung bewahren, ist die Devise – für Theresa May ebenso wie für diese Models, die in London Mode von Vivienne Westwood präsentier­en.

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