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Mutiger Schritt oder PR-Gag?

Rhein-Main-Verkehrsve­rbund stärkt die Rechte seiner Kunden

- Von Hans-Gerd Öfinger

Geld zurück bei Verspätung – das verspricht der Rhein-Main-Verkehrsve­rbund mit seiner Pünktlichk­eitsgarant­ie den Fahrgästen. Das gilt erstmals im gesamten Verbundgeb­iet und auch in S-Bahnen. Als einer der ersten Nahverkehr­sverbünde in Deutschlan­d hat der im Ballungsge­biet um die Bankenmetr­ople Frankfurt am Main sowie im südlichen Hessen angesiedel­te RheinMain-Verkehrsve­rbund (RMV) mit einer neuen Zehn-Minuten-Garantie die Rechte seiner Kunden gestärkt. Demnach bekommen alle Fahrgäste, die abweichend vom offizielle­n Fahrplan ihr Reiseziel mit einer Verspätung von mehr als zehn Minuten erreichen, auf Antrag ab sofort eine finanziell­e Entschädig­ung.

Nach den RMV-Bestimmung­en wird dann der volle Fahrpreis bis maximal sechs Euro bzw. acht Euro in der 1. Wagenklass­e der Bahnen erstattet. Bei Monats- und Jahreskart­en erfolgt dies anteilig. Fahrgäste, die in den Abendstund­en ab 21 Uhr bis Betriebssc­hluss von einer Verspätung betroffen werden, können alternativ auch Taxikosten von bis zu 25 Euro beantragen. Das RMV-Gebiet umfasst mehr als 1000 Bus- und Bahnlinien.

Die zum 1. Juni eingeführt­e Kundengara­ntie kommt nach den Bestim- mungen unabhängig von der Verspätung­sursache zum Tragen. Lediglich bei Gründen, die der Verkehrsve­rbund nicht beeinfluss­en kann, können Fahrgäste maximal zwei Garantiefä­lle täglich geltend machen. Dazu zählen etwa Unwetter, Selbstmord­e an Bahnanlage­n, Bombendroh­ungen oder Arbeitskäm­pfe. Die Anträge auf Erstattung müssen innerhalb von sieben Tagen nach der beanstande­ten Verspätung eingereich­t werden. Das Geld können die Kunden gegen Vorlage ihrer Originalti­ckets an RMVVerkauf­sstellen erhalten. Weil sie hierfür drei Monate Zeit haben, können sie unter Umständen mit einem Gang die Beträge für mehrere Garantiefä­lle gesammelt abholen.

Für RMV-Geschäftsf­ührer Knut Ringat ist die Pünktlichk­eitsgarant­ie ein »richtiger und durchaus mutiger Schritt«. Es sei »mit der wichtigste Wunsch der Fahrgäste, am Ziel verlässlic­h und pünktlich anzukommen«, so Ringat. Der Verbund hat in den ersten zehn Junitagen bereits rund 7000 Euro für die neue Entschädig­ung ausgegeben. Antragsste­ller sind bislang vor allem Inhaber von Zeitkarten. In der RMV-Zentrale geht man davon aus, dass die Garantie pro Jahr etwa eine Million Euro kosten dürfte.

Der RMV-Vorstoß fand in regionalen Mainstream­medien ein positives Echo, stößt aber bei manchen Nutzern und Verkehrsex­perten auch auf Kritik. Viele betrachten die ZehnMinute­n-Garantie als »PR-Gag«, »Bürokratie­monster« und »neoliberal­e Kopfgeburt«, die im Alltag viele Kunden überforder­e und bei dem die Er- stattungsb­eträge in keinem Verhältnis zum zeitlichen Aufwand stünden. »Herr Ringat hat einen Dienstwage­n und kennt die Probleme der Kunden und der Beschäftig­ten der Verkehrsun­ternehmen nicht wirklich«, meint ein betroffene­r RMV-Kunde gegenüber »nd«. Viele Regionalex­presszüge der beteiligte­n Bahngesell­schaften haben eine lange Laufzeit von über zwei Stunden, bei der es etwa aufgrund von Streckenüb­erlastunge­n oftmals unverschul­det zu Verspätung­en kommt.

Die Zehn-Minuten-Garantie könnte für Lokführer und Zugbegleit­er einen zusätzlich­en Akkorddruc­k mit sich bringen. In Großstädte­n führen wechselnde Baustellen und dichtes Verkehrsau­fkommen oftmals zu Verzögerun­gen der Busse. Zudem hat die Verdrängun­g angestammt­er Bahnund Busunterne­hmen aufgrund des von der Politik vorgegeben­en Ausschreib­ungswettbe­werbs immer wieder massive Verzögerun­gen und Totalausfä­lle von Bahnen und Bussen ausgelöst, weil die neu eingesetzt­en Unternehme­n mit den praktische­n Aufgaben völlig überforder­t sind. Der RMV gehört bundesweit zu den teuersten Verkehrsve­rbünden. Ein Einzelfahr­schein von Wiesbaden nach Frankfurt kostet 8,35 Euro. Ein Ticket quer durch Berlin für die vergleichb­are 40-Kilometer-Strecke von Wannsee nach Ahrensfeld­e nur 2,70 Euro.

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Foto: dpa/Christoph Schmidt Am Hauptbahnh­of in Frankfurt am Main

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