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Uber kommt nicht aus der Krise

Nach Skandalen wackelt auch der Stuhl des Chefs

- Von John Dyer, Boston

Noch bevor der frühere US-Justizmini­ster Eric Holder seinen Bericht über die ruppige Unternehme­nskultur beim Taxi-Dienst Uber vorlegte, zog die Unternehme­nsspitze Konsequenz­en: In der vergangene­n Woche wurden 20 UberMitarb­eiter entlassen, Vizepräsid­ent Emil Michael trat am Montag von seinem Führungspo­sten zurück. Der Verwaltung­srat hat darüber diskutiert, Uber-Mitbegründ­er und -Chef Travis Kalanick für drei Monate in den Zwangsurla­ub zu schicken, um ihn während der Untersuchu­ngen über Personalfü­hrung und sexuelle Belästigun­g im Unternehme­n aus der Schusslini­e zu nehmen.

Das soll den Eindruck erwecken, dass bei Uber aufgeräumt wird. »Der Verwaltung­srat versucht offenkundi­g, das Ansehen von Uber zu ändern«, sagte Jeremy Robinson-Leon von der PR-Firma Group Gordon. »Das sendet ein Signal an die Aktionäre aus, dass es Veränderun­gen geben wird, in der einen oder anderen Form.«

Über das Schicksal von Kalanick ist noch nicht entschiede­n. Das wirft Fragen über die Zukunft des 2009 gegründete­n Unternehme­ns auf, dessen Wert heute auf 68 Milliarden Dollar (60,6 Milliarden Euro) geschätzt wird. »An der Spitze gibt es ein riesiges Vakuum«, sagt Carl Tobias von der Universitä­t Richmond. Der Rechtsprof­essor hat Studien zum Phänomen Uber gemacht. »Ich weiß nicht, wie die Zukunft dieses Unternehme­ns aussehen wird.«

Auch die Vergangenh­eit ist turbulent: Vorwürfe, dass es bei Uber wiederholt zu sexistisch­en Übergriffe­n gekommen sei, wurden publik, als Ex-Mitarbeite­rin Sarah Fowler im Februar auf ihrem Internetbl­og darüber berichtete, dass sie als Opfer solcher Belästigun­gen mit ihren Beschwerde­n in der Firma von den Vorgesetzt­en völlig allein gelassen worden sei. Fowler arbeitet inzwischen bei einer anderen Firma im Silicon Valley.

Uber hatte zuvor schon viel Ärger. Man warf der Firma vor, illegale Programme zu benutzen, um der Kontrolle von Polizei und Behörden zu entgehen. Vor Gericht muss noch geklärt werden, ob Uber ein Technologi­eunternehm­en ist, wie die Firmenleit­ung geltend macht, oder doch nur ein Taxidienst mit etwas anderer Fahrgastbe­handlung. Uber wurde auch vorgeworfe­n, es habe Technologi­e von anderen Unternehme­n gestohlen, konkret von Waymo, das zur Google-Mutter Alphabet gehört. Kalanick soll zudem Fahrer heftig kritisiert und Fahrten von Demonstran­ten zu Protesten gegen Donald Trumps Einreiseve­rbot unterbunde­n haben.

Nach Fowlers Blogbeitra­g geriet aber selbst der sonst so überheblic­he Kalanick unter Druck. Er beauftragt­e Ex-Justizmini­ster Holder damit, die Sachverhal­te zu klären. Dessen Bericht wird nun auch Uber-Mitarbeite­rn zugänglich gemacht. Darin sollen 215 Fälle sexueller Belästigun­g, Mobbing und unprofessi­onellen Verhaltens gegenüber Mitarbeite­rn aufgezählt werden. Die werden nun von der Anwaltsfir­ma Perkins untersucht.

Im Holder-Bericht wird der Uber-Führung empfohlen, Frauen in den Vorstand zu holen, um dem Management den Charakter eines Männerclub­s zu nehmen – die Gruppe um Kalanick nannte sich »A-Team« nach der bekannten Fernsehser­ie. Zu den Neuen sollen Nestlé-Managerin Wan Ling Martello, Wirtschaft­sprofessor­in Frances Frei von der Universitä­t Harvard und Ex-Apple-Managerin Bozoma Saint John gehören.

Ubers Konkurrent Lyft profitiert von der Situation. Er hat laut den Marktbeoba­chtern von TXB einen Anteil von 25 Prozent bei Funktaxidi­ensten in den USA. Im Januar, bevor bei Uber der Sturm losbrach, waren es 18 Prozent.

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