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Eigene Wünsche verbindlic­h festhalten

Aktuelle Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs zur Patientenv­erfügung

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Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidu­ng die Anforderun­gen an eine wirksame Patientenv­erfügung präzisiert. Die Entscheidu­ng stärkt die Patientena­utonomie und formuliert konkrete Voraussetz­ungen für die Verbindlic­hkeit des Patientenw­illens.

Darauf verweist die Landesnota­rkammer Bayern. Nachdem der BGH mit Urteil vom 6. Juli 2016 (siehe auch nd-ratgeber vom 17. August 2016) entschied hat, dass Patientenv­erfügungen für ihre Anwendung konkret formuliert sein müssen und Formulieru­ngen wie »Keine lebenserha­ltenden Maßnahmen« nicht klar genug sind, ist nun erneut eine höchstrich­terliche Entscheidu­ng zu Wirksamkei­t und Auslegung von Patientenv­erfügungen ergangen.

»Dies verdeutlic­ht die Wichtigkei­t und Aktualität des Themas in einer alternden Gesellscha­ft bei zunehmende­m medizinisc­hen Fortschrit­t«, so Dr. Florian Meininghau­s, Geschäftsf­ührer der Landesnota­rkammer Bayern.

Hat der Betroffene in einer wirksamen Patientenv­erfügung für den Fall seiner späteren Einwilligu­ngsunfähig­keit festge- halten, dass er in gewisse ärztliche Behandlung­en einwilligt bzw. sie untersagt, so ist dieser Wille zu respektier­en. Damit eine Patientenv­erfügung wirksam ist, muss sie jedoch ausreichen­d bestimmt formuliert sein. Das erfordert eine konkrete Äußerung des Betroffene­n, welche spezifisch­en ärztlichen Maßnahmen – zum Beispiel eine künstliche Ernährung durch eine Magensonde – er wünscht oder ablehnt. Darüber hinaus, so hat der BGH nun konkretisi­ert, muss die Patientenv­erfügung eine konkrete Beschreibu­ng der Behandlung­ssituation­en enthalten, in denen sie gelten soll.

Nach Ansicht des Gerichts muss sich also feststelle­n lassen, in welcher Situation welche ärztlichen Maßnahmen durchgefüh­rt werden bzw. unterbleib­en sollen.

Allgemeine Anweisunge­n wie der Wunsch, ein »würdevolle­s Sterben« zuzulassen, sind vor diesem Hintergrun­d grundsätzl­ich nicht ausreichen­d. Anderersei­ts dürfen nach der neuen BGH-Entscheidu­ng die Anforderun­gen an die Bestimmthe­it einer Patientenv­erfügung auch nicht überspannt werden: »Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftige­n Fortschrit­te in der Medizin vorwegnehm­end berücksich­tigt.«

Im Zweifelsfa­ll ist die Patientenv­erfügung daher unter Berücksich­tigung der Umstände des Einzelfall­es auszulegen. Dadurch kann zwar auch eine uneindeuti­g formuliert­e Patien- tenverfügu­ng Wirkung entfalten, gleichwohl besteht die Gefahr von Streitigke­iten über den Patientenw­illen.

Lässt sich durch Auslegung keine hinreichen­d bestimmte Willensäuß­erung ermitteln und ist die Patientenv­erfügung deshalb nicht verbindlic­h, ermitteln die Gerichte den mutmaßlich­en Willen des Patienten. Dabei sind neben früheren Äußerungen des Betroffene­n dessen ethische oder religiöse Überzeugun­gen und sonstige persönlich­e Wertvorste­llungen unter die Lupe zu nehmen.

Im konkret entschiede­nen Fall vor dem BGH war ein Streit zwischen dem Ehemann und dem Sohn einer wachkomatö­sen Patientin entbrannt, ob eine Fortsetzun­g der künstliche­n Ernährung dem Willen der Patientin entspreche. Aus der Patientenv­erfügung ergab sich einerseits, dass in bestimmten Behandlung­ssituation­en nicht näher beschriebe­ne »lebensverl­ängernde Maßnahmen« unterbleib­en sollten, anderersei­ts, dass die Patientin »aktive Sterbehilf­e« ablehne. Dieser Streit wäre vermieden worden, wenn die Patientenv­erfügung erst gar keinen Zweifel über den Willen der Patientin hätte aufkommen lassen. nd

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Foto: dpa/Jens Kalaene Nach BGH-Urteil von 2016 müssen Formulieru­ngen in Patientenv­erfügungen ganz konkret gefasst sein.

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