nd.DerTag

Gaza ächzt unter Stromsperr­en

Jerusalem und Ramallah wollen die Elektrizit­ätsversorg­ung weiter verringern

- Von Oliver Eberhardt, Teheran

Der Streit um die Stromverso­rgung im Gazastreif­en spitzt sich zu; nur noch drei Stunden täglich gibt es Elektrizit­ät. Denn die palästinen­sische Regierung will die Hamas zur Aufgabe zwingen. Es ist heiß im Nahen Osten: Etwa 30 Grad herrschen im Gazastreif­en, doch die Klimaanlag­en, die Waschmasch­inen, die Kühlschrän­ke vor allem, bleiben in diesen Tagen in dem dicht bevölkerte­n Landstrich meist abgeschalt­et.

Maximal drei Stunden am Tag wird derzeit Strom in die Netze eingespeis­t; offiziell, denn dieser Wert ist an Hand eines normalen Verbrauchs berechnet: Weil aber alle alle Geräte gleichzeit­ig einschalte­n, und überdies viel Energie in den aus den 60er Jahren stammenden Netzen verloren geht, reiche es bei den meisten nur für gut eine Stunde am Tag, sagt ein Sprecher des UNO-Hilfswerks für palästinen­sische Flüchtling­e (UNRWA).

Denn die im Westjordan­land ansässige palästinen­sische Regierung möchte die Stromrechn­ung nicht mehr bezahlen. »Entweder die Hamas fängt endlich damit an, auf eigenen Füßen zu stehen und ihre Rechnungen selbst zu bezahlen,« sagt ein Sprecher von Präsident Mahmud Abbas, »oder sie übergibt die Kontrolle über Gaza endlich wieder an die legitime Regierung.« Obwohl die Hamas dort de facto regiert, bezahlte die Regierung in Ramallah die Stromliefe­rungen und die Einfuhr von Treibstoff für das Elektrizit­ätswerk in Gaza aus Israel. Schon vor Monaten hatte das Elektrizit­ätswerk weitgehend still gelegt werden müssen, nachdem die Ramallah-Regierung die Zahlungen reduziert hatte. Vor gut einer Woche teilte Abbas Israels Regierung nun mit, man werde auch die Zahlungen für die Stromliefe­rungen um gut 50 Prozent reduzieren.

Aus israelisch­er Sicht ist das eine schwierige Situation: Dem Gazastreif­en droht nun eine humanitäre Krise, aber vor allem steigt die Kriegsgefa­hr. Schon seit dem letzten Krieg rüstet die Hamas, auf. Vor wenigen Tagen hatten Mitarbeite­r von des UNRWA bei Bauarbeite­n Tunnel unter zwei UNO-Schulen gefunden. Is- raels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu forderte daraufhin die Abwicklung der Organisati­on; es sei undenkbar, dass die Tunnel niemandem aufgefalle­n seien. Ein UNOSpreche­r verweist indes darauf, dass die Tunnel keine Ausgänge in den Schulen gehabt hätten.

Es sei eine Frage der Zeit, bis der öffentlich­e Druck so stark werde, dass die Hamas Israel angreife, warnt Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman und beruft sich dabei auf Einschätzu­ngen der Geheimdien­ste: Israel solle sich aus Eigeninter­esse über die Forderunge­n aus Ramallah hinweg setzen, den Strom weiter liefern und die Kosten einfach aus den Steuer- und Zolleinnah­men einbehalte­n.

Doch Naftali Bennett, Chef der rechten Koalitions­partei »Jüdisches Heim«, hält dagegen, dass nun die Gelegenhei­t da sei, die Hamas loszuwerde­n, und beruft sich dabei auch auf die Katar-Krise: Bislang hatte der Golfstaat Hamas-Funktionär­en eine Basis zur Verfügung gestellt, auch Geld geschickt. Doch nachdem viele arabische Staaten das Land isolierten, ging man in Doha auf Distanz zur Hamas. Einige Führer mussten das Land verlassen; mehrere Projekte in Gaza wurden nach Angaben der Regierung Katars auf Eis gelegt.

Auf Distanz gegangen ist auch die iranische Regierung, die die Hamas in der Vergangenh­eit unterstütz­t hatte: So wirft Parlaments­sprecher Ali Laridschan­i der Hamas vor, »enge Verbindung­en zum Islamische­n Staat (IS) zu pflegen«. Die Nachrichte­nagentur IRNA berichtete, Kämpfer der in Ägypten ansässigen IS-Gruppe Wilajat Sinai seien in Krankenhäu­sern im Gazastreif­en behandelt worden. Nach den Anschlägen auf das iranische Parlament und das Grabmal von Revolution­sführer Ajatollah Ruhollah Khomeini wurde berichtet, Angehörige der IS-nahen, in Iran aktiven Gruppen Ansar al-Furkan und Dschundoll­ah hätten sich »zur Ausbildung« auf dem Sinai aufgehalte­n.

Hilfe erhofft sich die Hamas-Regierung nun von Ägypten, wo die Hamas offiziell verboten ist: Der neue Gaza-Regierungs­chef Yahya Sinwar wurde in den vergangene­n Tagen mehrmals in Kairo vorstellig, um Stromliefe­rungen durch das Nachbarlan­d zu erbitten.

 ?? Foto: AFP/Thomas Coex ?? Die Stadt im Dunkel – Gaza-Stadt Dienstagna­cht
Foto: AFP/Thomas Coex Die Stadt im Dunkel – Gaza-Stadt Dienstagna­cht

Newspapers in German

Newspapers from Germany