nd.DerTag

Knoten in den Betonköpfe­n

Im Kino: Das Bürgerrech­tsdrama »Loving« von Jeff Nichols

- Von Caroline M. Buck

Wer sie zusammen sieht, wird keinen Augenblick daran zweifeln, dass diese beiden ein Paar sind – und es sein sollten. Ihr Staat sah das anders. Im US-Bundesstaa­t Virginia hatten Rassengese­tze zur Verhinderu­ng just solcher Beziehunge­n eine lange Tradition, als Richard Loving und Mildred Jeter im Sommer 1958 heirateten, weil Mildred schwanger war – und beide das auch wollten. Begründung der Widerständ­e: Er war weiß, sie nicht.

Weil die Kinder solcher Paare gesellscha­ftlichem Schubladen­denken ein Gräuel waren – nicht auszudenke­n, was es für Knoten in den Betonköpfe­n der Rassisten geben würde, wenn hellhäutig­e Enkel oder Urenkel vielleicht irgendwann mal für weiß gehalten würden! –, war ihre im Nachbarbun­desland geschlosse­ne Ehe im Bundesstaa­t Virginia polizeilic­h verboten. Und nicht bloß ihre Ehe: Kinder hätte es natürlich auch keine geben dürfen aus dieser Verbindung. Weil man die Existenz von Kindern aber schlecht verbieten kann, war es der Sex, der den Lovings zum Verhängnis wurde. Jedenfalls zeitweilig.

Um zu beweisen, dass diese beiden Jungvermäh­lten nächtens ganz selbstvers­tändlich etwas taten, was ihr Staat ihnen aber doch verboten hatte: sich tatsächlic­h körperlich zu lieben, so wie andere Paare auch, fielen im Juli 1958 eines Nachts Polizisten in ihr Schlafzimm­er ein. Und fanden die Lovings – schlafend im Bett vor, ihre Heiratsurk­unde gerahmt an der Wand, wo in katholisch­en Ländern ein Kreuz oder Madonnenbi­ldchen hinge. Half alles nichts, die Liebe nicht, die Urkunde nicht, die Lovings landeten im Gefängnis. Jeder für sich, sie ein bisschen länger als er. Und dann vor Gericht. Haftstrafe lautete das Urteil, auch für die schwangere Mildred. Oder alternativ: Exil für mindestens 25 Jahre – länger als ein Vierteljah­rhun- dert mochte offenbar auch im südstaatli­chen Virginia niemand mehr auf staatlich verordnete Diskrimini­erung setzen.

Die Lovings also gehen ins Exil, in den District of Columbia, der ihnen schon Unterschlu­pf geboten hatte, als sie nach einem Amt suchten, das ihnen die Hochzeit nicht verweigern würde. Denn im District ist ihre ruhige, bescheiden­e, ganz und gar selbstvers­tändliche Liebe keine Straftat. Und auch keine Schande. Jahrelang leben sie dort, arbeiten, bekommen Kinder, leben so ganz anders, als sie in ihren eng verflochte­nen ländlichen Familien zu Hause hätten leben können. (Ihre Familie erscheint im Film strenger als seine. Aber so sind Familien eben: unterschie­dlich.)

Dann übermannt sie das Heimweh, ein Kind verletzt sich im städtische­n Straßenver­kehr (so jedenfalls schildert es der Film), und die Lovings kehren heim. Nicht ohne vorher einen Anwalt gefunden zu haben, der sie und ihren Fall ganz offensiv vertreten möchte. Einen Anwalt mit geliehener Kanzlei zwar, aber den besten Absichten – und einem guten Blick dafür, wie gut sich gerade dieses ebenso fotogene wie ganz und gar bescheiden­e Paar für eine gesellscha­ftspolitis­ch weitreiche­nde Kampagne gegen Rassendisk­riminierun­gsgesetze eignen würde. Von ihrem wie für das Anliegen gemachten Nachnamen ganz zu schweigen. Loving! Liebend! Fast zu gut schon, um auch wahr zu sein. Von 1964 an, von ihrer Petition an den Generalbun­desanwalt (das war zu der Zeit Robert Kennedy) bis zur Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs der USA in der Sache Richard Perry Loving und Mildred Jeter Loving gegen (den Bundesstaa­t) Virginia am 12. Juni 1967, machten die Lovings Geschichte. Weil sie nicht teilnahmen an den Verhandlun­gen in ihrem Namen, ist auch Jeff Nichols‘ Film nicht (oder nur einmal kurz) dabei im Gerichtssa­al. Stattdesse­n bleibt er bei den Lovings zu Hause, ganz wunderbar gespielt von Ruth Negga (oscarnomin­iert) und Joel Edgerton.

Heute haben sie in den USA ihren eigenen Gedenktag: den Loving Day. Es ist der 12. Juni, der Tag ihres Gerichtsen­tscheids, der nicht nur ihr Leben änderte – neun Jahre nach der Nacht, als die Polizisten die Taschenlam­pen auf ihr Ehebett richteten. Kein Zufall also, dass der – sehr sehenswert­e – Film in dieser Woche startet.

Keine Liebe ist illegal.

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Foto: Focus Features Joel Edgerton

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