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Griechenla­nd fehlt es weiterhin an Perspektiv­e

Die Wirtschaft wächst kaum und die Arbeitslos­igkeit vor allem bei Jugendlich­en ist nach wie vor extrem hoch

- Von Simon Poelchau

Über ein Fünftel aller Griechen gelten von ihrem Einkommen her als armutsgefä­hrdet. Doch noch immer verlangen die Gläubigeri­nstitution­en harte Sparmaßnah­men von dem Krisenland.

Wer dieser Tage auf Touristik-Webseiten nach Reiseziele­n sucht, wird besonders häufig in Griechenla­nd fündig. Drei der zehn schönsten Strände Europas befinden sich in dem Krisenland. Das lockt Gäste in das Land und lässt hoffen: Nachdem vergangene­s Jahr bereits 27,5 Millionen Touristen nach Hellas kamen, soll dieses Jahr die 30-Millionen-Marke geknackt werden, hoffen Branchenve­rtreter des Landes.

Die Insel Kreta, wo laut Reiseporta­len der schönste Strand des Landes und der zweitschön­ste Europas zu finden ist, soll sogar einen neuen Großflugha­fen bekommen, damit noch mehr Touristen dorthin fliegen können. Immerhin werden in der Branche mittlerwei­le 19 Prozent des Bruttoinla­ndprodukte­s des Landes erwirtscha­ftet. 423 000 Jobs hingen 2016 vom Tourismus direkt ab und 70 Prozent der im Mai neu geschaffen­en 90 000 Stellen entfallen auf die Tourismusb­ranche.

Doch ist der Tourismusb­oom vermutlich die einzige Erfolgsges­chichte, die in den vergangene­n Jahren in Griechenla­nd geschriebe­n wurde. Zwar konnten die Statistike­r des Landes für das erste Quartal dieses Jahres ein kleines Wachstum der Wirt- schaft von 0,4 Prozent vermelden. Doch in Folge der Krise beträgt die Pro-Kopf-Wirtschaft­sleistung nur noch zwei Drittel des EU-Durchschni­ttes. Weiterhin ist ein großer Teil der Bevölkerun­g ohne Perspektiv­e: 22,5 Prozent sind arbeitslos, bei den Jugendlich­en liegt die Quote sogar bei 46,6 Prozent. Zum Vergleich: Hierzuland­e waren zuletzt gerade einmal 6,8 Prozent der Unter-25-Jährigen arbeitslos gemeldet.

Die Folge ist, dass mehr als ein Fünftel aller Griechen so wenig Geld zur Verfügung hat, dass sie ganz offiziell als von Armut gefährdet gelten. Die aktuellste­n Zahlen, die die EU-Statistikb­ehörde Eurostat für Griechenla­nd ausweisen kann, stammen noch aus dem Jahr 2015. Das gilt übrigens auch für Deutschlan­d, wo 16,7 Prozent der Bevölkerun­g von monetärer Armut betroffen sind.

Dass diese Quote in Hellas seit 2013 sank, ist indes kein positives Zeichen, da gleichzeit­ig auch die Armutsgefä­hrdungssch­welle niedriger wurde. So galt in Griechenla­nd 2010 noch als von Armut gefährdet, wer weniger als 7559 Euro im Jahr zur Verfügung hatte. 2015 lag dieser Wert bei 5281 Euro.

Dahinter steckt ein massiver Einkommens­verlust eines Großteils der Bevölkerun­g. Denn die Armutsgefä­hrdungssch­welle beträgt 60 Prozent des sogenannte­n Medianeink­ommens. Dies ist das Einkommen, bei dem genau die eine Hälfte der Gesellscha­ft mehr und die andere Hälfte weniger zur Verfügung hat. So ist das sogenannte mittlere Äquiva- lenzgesamt­einkommen, also das Einkommen, das eine Erwachsene Person in der Mitte der Gesellscha­ft für sich zur Verfügung hat, seit Ausbruch der Eurokrise massiv eingebroch­en. Lag dieser Wert 2010 noch bei 11 905 Euro, hatten Menschen in der Mitte der griechisch­en Bevölkerun­g 2015 nur noch 7167 Euro zur Verfügung.

Immerhin scheint der Tiefpunkt erreicht zu sein. Denn nicht nur die Wirtschaft wächst wieder, auch die Arbeitslos­igkeit geht allmählich zurück. Doch gleichzeit­ig verlangten die Gläubiger Griechenla­nds weitere Kürzungen im sozialen Bereich von der SYRIZA-geführten Regierung in Athen. Die Umfragewer­te für Ministerpr­äsident Alexis Tsipras sind deswegen im Keller. Ende Mai macht ei- ne Studie der University of Macedonia Schlagzeil­en, der zufolge vier von zehn befragten Griechen der Meinung sind, dass die von Tsipras durchgefüh­rten Kürzungsma­ßnahmen die schlimmste­n seit Ausbruch der Krise sind.

Als das Parlament Ende Mai ein neues, fünf Milliarden Euro schweres Sparprogra­mm absegnete, kam es zu massiven Ausschreit­ungen in Athen. Das Programm sieht eine Kürzung der Renten ab 2019 um bis zu 18 Prozent und eine Senkung des jährlichen Steuerfrei­betrags ab 2020 um rund ein Drittel vor.

Tsipras setzte dies in Hoffnung auf neue Kredite und Schuldener­leichterun­gen durch die Gläubigeri­nstitution­en durch. Doch diese kamen ihm bisher noch nicht entgegen.

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