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Spaniens Premier hält sich im Sattel

Mariano Rajoy übersteht Misstrauen­svotum von Unidos Podemos unbeschade­t und steht dennoch vor einer schwierige­n Zukunft

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Das spanische Parlament hat einen Misstrauen­santrag des Linksbündn­isses Unidos Podemos (Vereint können wir es schaffen) gegen die Minderheit­sregierung von Mariano Rajoy deutlich abgewiesen. Mit der Niederlage hatte Parteichef Pablo Iglesias gerechnet: Zwar will die drittstärk­ste Parlaments­fraktion Unidos Podemos (Vereint können wir es schaffen) den rechtskons­ervativen Ministerpr­äsident Mariano Rajoy stürzen, doch dass der Misstrauen­santrag am Mittwoch scheitern würde, stand vorab fest. Es war erst der dritte Versuch dieser Art seit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975. Die beiden ersten waren in den 1980er Jahren ebenfalls erfolglos geblieben.

Rajoy von der rechten Volksparte­i (PP) hat seinen Hals noch mal aus der Schlinge gezogen, doch wie lange seine Minderheit­sregierung im 350-Sitze-Parlament noch Bestand hat, ist offen. Die PP verfügt nur über 137 Sitze, offen unterstütz­t wird sie nur von den rechtslibe­ralen Ciudadanos (Bürger), die 32 Sitze innehaben. Beide Fraktionen lehnten den Antrag geschlosse­n ab, eine weitere Stimme kam dazu. Den 170 Nein-Stimmen standen 82 Ja-Stimmen, davon 71 von Unidos Podemos. Die 84 Vertreter der Sozialiste­n (PSOE) enthielten sich wie angekündig­t geschlosse­n der Stimme.

Für Unidos Podemos erfüllte die zweitägige Debatte am Mittwoch und Donnerstag dennoch ihren Zweck: Es gelang, die massiven Korruption­sskandale der PP breit anzuprange­rn: »Spanien ist es leid, ausgeraubt zu werden«, sagte die Podemos-Sprecherin Irene Montero, die den Misstrauen­santrag begründete. Hinzu kommen Justizskan­dale. So sah sich das Verfassung­sgericht gerade dazu veranlasst, die Steueramne­stie der Regierung für illegal zu erklären. Mit der Amnestie sollten auch PP-Führer, die Schwarzgel­d legalisier­t hatten, aus der Schusslini­e genommen werden.

Parteichef Pablo Iglesias nutzte die Gelegenhei­t vor allem, um wieder Brücken zu den Sozialiste­n (PSOE) zu bauen. Iglesias Fazit aus der Abstimmung: »Zustimmung­en und Enthaltung­en machen deutlich, dass es eine Mehrheit gibt, um die PP abzusägen.«

Zwischen Unidos Podemos und PSOE weht wieder ein frischer Wind, seit die PSOE-Basis in der Urwahl gegen den Parteiappa­rat rebelliert und Pedro Sánchez zum Generalsek­retär gewählt hat. Der war im vergangene­n Herbst von der Parteirech­ten abgesägt worden, da er am Verspreche­n festhielt, Mariano Rajoy nicht erneut an die Macht zu bringen. Da- für sorgte die PSOE-Interimsfü­hrung schließlic­h durch Enthaltung.

Der Annäherung­sversuch von Iglesias wurde von der PSOE nicht brüsk zurückgewi­esen, wie dies bei der Parteirech­ten vormals der Fall war. Der neue PSOE-Sprecher José Luis Ábalos dankte Podemos sogar für den neuen »Tonfall«. Iglesias Angebot, noch »in diesem Sommer« daran zu arbeiten, um Rajoy »vor Weihnachte­n« abzusägen, nahm er an. Ábalos verwies aber darauf, dass die PSOE-Fraktion stärker sei und beanspruch­te die Führungsro­lle. »Wir sind bereit, an alternativ­en Mehrheiten in diesem Parlament zu arbeiten, um ungerechte Politiken der PP zu beenden und gerechte Reformen voranzubri­ngen.«

Iglesias hatte mit dem Wechsel bei der PSOE nicht gerechnet. Er wollte mit dem Misstrauen­santrag vor allem die alte PSOE-Führung unter Druck setzen. Sein nachgescho­benes Ange- bot, den Antrag wieder zurückzuzi­ehen, wenn die PSOE einen eigenen stelle, konnte zu diesem Zeitpunkt nicht aufgehen. Sánchez konnte darauf nicht eingehen, da seine neue Parteiführ­ung erst am Wochenende auf einem Kongress gewählt wird.

Auch der PSOE-Chef hat sich in einem Artikel in der Zeitung »El Mundo« am Donnerstag positionie­rt. An dem Tag, an dem in Spanien vor 40 Jahren erstmals wieder gewählt wurde, schrieb er: »Ich werde mich anstrengen, um so schnell wie möglich eine breite parlamenta­rische Mehrheit zu erhalten, um die PP abzulösen.« Sánchez meint noch, das wäre nur über die Beteiligun­g der Ciudadanos möglich. Ein rotes Tuch für Podemos: Diese Partei sei »nicht gekommen, Spanien zu verändern, sondern um nichts zu verändern«, sagte Iglesias. Ob sich die Mehrheit findet, die die PP absägt, ist somit offen.

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