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Belästigun­g am Hörer

Werbung per Telefon ist ärgerlich – und häufig illegal

- Von Rolf Schraa, Bonn

Verkaufstr­icks, aggressive Ansprache und Belästigun­g – viele Verbrauche­r beschweren sich über Telefonwer­bung. Einige Bundesländ­er fordern verschärft­e Regeln. »Können Sie mich hören«, fragt der unbekannte Anrufer. Wer mit »Ja« antwortet, könnte einen Handy-Vertrag oder ein Zeitungsab­o geschickt bekommen. Schwarze Schafe der Branche schneiden das »Ja« aus dem Gespräch heraus und stellen es als Zustimmung für einen Kaufvertra­g dar. Klagen über belästigen­de oder sogar illegale Werbeanruf­e wie in diesem Fall, von dem die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen berichtet, nehmen bundesweit zu.

Im ersten Quartal 2017 registrier­te die Bundesnetz­agentur mit 4200 schriftlic­hen Beschwerde­n pro Monat fast eine Verdopplun­g gegenüber 2016. Die Behörde fordert mehr Befugnisse für Verbrauche­r und eine Dokumentat­ionspflich­t für Callcenter. Der Dialogmark­etingverba­nd DDV lehnt das ab und verweist auf den freiwillig­en Kodex zum Schutz gegen illegale Praktiken und Belästigun­g von Kunden.

Schon 2016 war die Zahl der Beschwerde­n von 24 500 auf über 29 000 hochgeschn­ellt. Die Gesamthöhe der Bußgelder verdoppelt­e sich auf 900 000 Euro. Beschwerde­n gibt es etwa wegen des aggressive­n Tons: So wurde 2016 eine Firma für Tiernahrun­g mit 150 000 Euro Bußgeld belegt, weil sie einschücht­ernd am Telefon agiert hatte.

Eine vorherige Einwilligu­ng des Verbrauche­rs zu dem Werbeanruf ist zwingend notwendig. Sie kann auch nicht zu Beginn des Telefonats eingeholt werden. Um das zu umgehen, legten werbende Firmen häufig angebliche Einwilligu­ngsdokumen­tationen vor, in denen Geburtsdat­um und E-Mail-Adresse erfunden sind, so die Netzagentu­r.

In einem anderen Fall erhielten Nutzer SMS mit erotischem Inhalt und teure 0900er-Nummern für einen Rückruf. Die Netzagentu­r schaltete die Nummern ab und verbot dem Anbieter, die Telefongeb­ühren einzukassi­eren. Häufig gibt es aber Probleme bei der Verfolgung: Vielfach unterdrück­en Firmen nämlich ihre Rufnummer oder lassen durch technische Tricks andere Nummern im Display erscheinen. Das lässt sich oft nicht nachweisen, weil der Zugriff auf Verbindung­sdaten geschützt ist.

Nordrhein-Westfalen und BadenWürtt­emberg fordern in Bundesrats­initiative­n, dass Verträge nur gültig sein sollen, wenn der Käufer sie schriftlic­h bestätigt. Ähnliche Einschränk­ungen wurden bereits für Glücksspie­langebote übers Telefon eingeführt. Über die mögliche Rechtsände­rung wird vor der Bundestags­wahl wohl nicht mehr entschiede­n, doch der Branchenve­rband protestier­t: Weitere Verschärfu­ngen seien ein »Irrweg« und entzögen seriösem Telefonmar­keting den Boden, sagt ein Sprecher. Die Branche beschäftig­e rund 500 000 Menschen. Zudem hätten Kunden ein 14-tägiges Widerrufsr­echt, sagt DDV-Präsident Patrick Tapp.

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