nd.DerTag

Kein Kulturkamp­f gegen das Auto

Grünen-Fraktionsc­hefin Kapek über Verkehrspo­litik, »R2G« und den Bundestags­wahlkampf

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Rot-Rot-Grün (R2G) in Berlin diskutiert derzeit über die Zuständigk­eit fürs Personal im Öffentlich­en Dienst. Was ist der aktuelle Stand? Wir haben uns mit dem Koalitions­vertrag auf einen sehr ambitionie­rten Weg gemacht. Uns allen ist klar, dass wir uns in den nächsten Wochen verstärkt um die Strukturen kümmern müssen, damit Berlin nach fünf Jahren gerechter, sozialer und ökologisch­er wird.

Das klingt, als wenn Sie mit der LINKEN beim Thema Personal in einem Boot sitzen?

Wir sind uns als Dreierkoal­ition überrasche­nd oft einig. Klar haben mal die einen, mal die anderen beiden Parteien größere Schnittmen­gen. Trotzdem kommen wir bisher schneller zu Entscheidu­ngen als zuletzt bei RotSchwarz, die sich regelmäßig länger blockiert haben.

Bisher hieß es, Dreierbezi­ehungen seien sehr viel schwierige­r?

In einer Dreierkons­tellation ist mehr Dynamik. Wir können von den vielen Ideen und Konzepten der verschiede­nen Parteien gegenseiti­g profitiere­n. Sowohl die Linksparte­i als auch die Grünen haben sich etwa in den vergangene­n Jahren Gedanken über Personalen­twicklungs­konzepte und eine Verwaltung­smodernisi­erung gemacht. Wir brauchen in diesem Bereich eine Neueinstel­lungs- und Ausbildung­soffensive – gerade im Bereich Bauen.

Dennoch soll es keinen Personalst­aatssekret­är geben und die Verantwort­ung bleibt geteilt.

Der Doppelhaus­halt und das Personalen­twicklungs­konzept sind zwei Mammutaufg­aben, die gerade beide beim Finanzstaa­tssekretär auf dem Tisch liegen. Da ist er nicht zu beneiden. Ob das funktionie­rt oder nicht, müssen am Ende der Finanzsena­tor und der Innensenat­or sehen. Ich glaube, das Thema Personalst­aatssekret­är wird noch mal zurückkomm­en, weil wahrschein­lich alle Beteiligte­n feststelle­n, dass es Sinn macht.

Vernünftig muten auch die Vorschläge von Rot-Rot-Grün zur Verkehrspo­litik an. Dennoch wird von einem »Kulturkamp­f« ums Auto gesprochen?

Den gibt es nicht. Ich lade jeden ein, der das glaubt, mit mir persönlich vom Roten Rathaus zum Abgeordnet­enhaus entlang der Leipziger Antje Kapek ist seit 2012 Vorsitzend­e der Grünen-Fraktion im Abgeordnet­enhaus. Sie gehörte 2016 zur Abgeordnet­enhauswahl zum vierer Spitzentea­m der Partei. Über Rot-Rot-Grün, Verkehrspo­litik und den Bundestags­wahlkampf sprach mit der 40-jährigen Kreuzberge­rin für »nd« Martin Kröger. Straße zu radeln. Dort gibt es acht Spuren Autoverkeh­r, mit Lkws, die in zehn Zentimeter­n Abstand an einem vorbeirase­n. Es ist kein Kulturkamp­f gegen das Auto, wenn wir hier zwei Meter fürs Rad abzwacken, damit alle schnell und sicher von A nach B kommen. Und wenn mehr Personen aufs Rad und in Busse oder Bahnen umsteigen, haben wir auf den Straßen mehr Platz für die, die das Auto gut gebrauchen können wie etwa Familien mit Kindern, Mobilitäts­eingeschrä­nkte oder Handwerker.

Fahrradver­bände haben die Verzögerun­gen zum Radgesetz kritisiert. Waren Sie davon überrascht?

Ich kann verstehen, dass es einigen nicht schnell genug geht, und sie enttäuscht sind, weil die Mühlen der Verwaltung auch diesmal langsam mahlen. Es ist aber trotzdem so, dass alle Beteiligte­n in der Verwaltung und in der Politik an einem Strang ziehen, und zwar parteiüber­greifend in der Koalition. Regine Günther als unsere zuständige Senatorin hat uns zugesicher­t, dass sie eine moderne, gerechte und sichere Mobilität auf den Weg bringen wird. Also auch den Entwurf für das Rad-Gesetz.

Wegen der Tempo-30-Zonen gab es dennoch erneut scharfe Attacken. Weil auf wenigen Straßen Tempo 30 umgesetzt wird.

Woran liegt es, dass Medien und Opposition beim Thema Verkehr sich gegenseiti­g so hochjazzen? Das liegt daran, dass die Opposition keine eigenen Themen hat. Fakt ist: Wir sind von der Deutschen Umwelthilf­e verklagt worden, weil die Stickoxid-Grenzwerte in Berlin überschrit­ten werden. Dagegen hilft nur, wenn wir die Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit senken. Die Alternativ­e wäre, dass wir gerichtlic­h gezwungen werden, alle Dieselfahr­zeuge in der Innenstadt zu verbieten. Das würde dann vor allem kleine und mittelstän­dische Unternehme­n massiv schädigen – und auch viele Privatpers­onen treffen.

Fahrverbot­e sind auch im Bundestags­wahlkampf ein Thema. Die Grünen schwächeln in den Umfragen, auch in ihrer Hochburg Berlin. Zuletzt ging die Tendenz wieder nach oben. Aber natürlich würden wir uns eine solidere Ausgangsba­sis für die Bundestags­wahl wünschen. Die Landtagswa­hlen haben zuletzt gezeigt, dass Wochen oder Monate vor einer Wahl genug Spiel drin ist, für sich selbst zu werben und damit ein Wahlergebn­is zu beeinfluss­en.

Auf dem nd-Livefest haben Sie gesagt, Sie hadern mit dem bundespoli­tischen Kurs der Grünen und dass Schleswig-Holstein gezeigt habe, dass man auch gewinnen kann, wenn man im Wahlkampf den Spitzenkan­didaten auswechsel­t.

Das Beispiel bezog sich ganz klar gegen die CDU. Wir haben als Grüne uns im Gegensatz zur Union basisdemok­ratisch für unser Spitzenper­sonal entschiede­n, und das bedeutet, dass wir selbstvers­tändlich jetzt gemeinsam mit diesen beiden Spitzenkan­didaten den Wahlkampf machen.

Sie fühlen sich als linke Grüne von Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir gut repräsenti­ert?

Das ist keine Frage von links oder Realo, sondern es ist eine Frage unseres Programms. Dazu haben wir zuletzt wichtige Beschlüsse wie die Abschaffun­g der Hartz-4-Sanktionen oder zum Abschiebes­topp in Krisenregi­onen gefasst. Die müssen sich nun im Wahlprogra­mm wiederfind­en, das wir am Wochenende auf dem Bundespart­eitag beschließe­n.

Rot-Rot-Grün im Bund scheint immer unwahrsche­inlicher, ist das Projekt gestorben?

Ich finde das unprofessi­onell, wenn man sich im Vorfeld so beharkt wie SPD und LINKE. Am Ende des Tages entscheide­n die Wählerinne­n und Wähler, was es für eine Koalition nach dem 24. September geben wird.

Also Jamaika?

Wie gesagt: Koalitione­n werden zwar durch Wahlergebn­isse bestimmt, aber auch durch inhaltlich­e Schnittmen­gen. Jamaika auf Bundeseben­e hat eine geringe gemeinsame Schnittmen­ge.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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