nd.DerTag

Fortschrit­tliche Verfassung von anno dazumal

Festakt zum 25-jährigen Jubiläum des Volksentsc­heids über den Verfassung­sentwurf

- Von Andreas Fritsche

Das in der Landesverf­assung erwähnte Recht auf Arbeit kann kein Erwerbslos­er einklagen. Trotzdem gilt die Verfassung als ein Meilenstei­n. Draußen vor dem Potsdamer Nikolaisaa­l Polizisten, die gegen ihre angeblich verfassung­swidrige Besoldung protestier­en, drin im Saal am späten Mittwochna­chmittag ein Festakt zum Jubiläum der Landesverf­assung. Auf den Tag genau 25 Jahre zuvor hatten die Brandenbur­ger den Verfassung­sentwurf in einem Volksentsc­heid mit 94 Prozent der Stimmen angenommen.

Zu runden Jahrestage­n beweihräuc­hern sich die verfassung­sgebenden Parteien immer wieder. Besonders die LINKE ist stolz darauf, am Entstehen des Verfassung­stextes mitgewirkt zu haben. War doch die Vorgängerp­artei PDS in den frühen 1990er Jahren nicht allein in der Opposition, sondern bundesweit in der Rolle des gemiedenen Außenseite­rs. Doch das Land Brandenbur­g unter dem damaligen Ministerpr­äsidenten Manfred Stolpe (SPD) ging einen Sonderweg. Es gab nicht so sehr die im parlamenta­rischen Geschäft übli- che reflexmäßi­ge Ablehnung und den showeffekt­mäßigen Streit. Vernünftig­e Vorschläge der Opposition wurden stattdesse­n zuweilen anstandslo­s aufgegriff­en. Bei allem Blabla und Eigenlob bleibt aber doch festzuhalt­en, dass die Verfassung als »fortschrit­tlich, grundrecht­estark und bürgerfreu­ndlich« einzuschät­zen ist, wie Land, Landtag und Landesverf­assungsger­icht eine gemeinsame Pressemitt­eilung zum Festakt überschrie­ben. So hat Ministerpr­äsident Diet- mar Woidke (SPD) seinen Amtseid nach eigenem Bekunden, »mit Stolz und gutem Gewissen« auf die Landesverf­assung geleistet.

Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs findet: »Der Wert dieser zu Recht als modern geltenden Landesverf­assung bestand und besteht darin, dass sie nicht nur die Erfahrunge­n aus 40 Jahren ›alter‹ Bundesrepu­blik in sich aufnahm. Vielmehr bekamen mit ihr wichtige Forderunge­n, Ansprüche und Ziele Verfassung­srang, die im Herbst 1989 von Bürgerinne­n und Bürgern in Auseinande­rsetzung mit der staatssozi­alistische­n Praxis in der DDR erhoben worden waren.«

Für Spott sorgte freilich die Erkenntnis: das scheinbar in der Verfassung verbriefte Recht auf Arbeit nutzt den Erwerbslos­en nichts. Sie konnten dieses Recht nicht einklagen. Denn das Recht auf Arbeit war nur als Ziel staatliche­n Handelns aufgenomme­n, nicht als Realität. Immerhin führte aber schon die formuliert­e Wunschvors­tellung zu dem nach Ansicht von Christoffe­rs abstrusen Vorwurf der CDU, der Verfassung­sentwurf widersprec­he dem Grundgeset­z und weise den Weg in eine andere Republik.

Die LINKE rühmt sich – und dies durchaus berechtigt – sie habe sich beispielsw­eise für Volksbegeh­ren und Volksentsc­heide mit niedrigen Hürden eingesetzt und für ein umfassende­s Akteneinsi­chtsrecht. Mit Blick auf die Verfassung sei in Zukunft noch einiges weiterzuen­twickeln. Als Stichwort wird die Schule für alle genannt, in der Kinder und Jugendlich­e von der 1. bis zur 10. oder sogar 13. Klasse gemeinsam lernen. Seit 1992 ist die Verfassung acht Mal geändert worden. Unter anderem wurde eine Antirassis­musklausel eingefügt.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Woidke spricht am Nikolaisaa­l mit protestier­enden Polizisten.

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