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Smartphone­s sind nicht nur ein Segen

Digitale Angebote halten zunehmend Einzug in die logopädisc­he Therapie

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Mainz. Live-Chats mit dem Arzt statt Behandlung in der Praxis, Gesundheit­s-Apps statt Untersuchu­ng vor Ort: Die Medizin- und Gesundheit­sbranche digitalisi­ert sich zunehmend. Auch in der Logopädie, also der medizinisc­hen Sprachheil­kunde, spielen Smartphone­s und Tablets eine immer wichtigere Rolle. Spezielle Apps etwa sollen Patienten beim Üben helfen. Allerdings sei die Zahl der deutschspr­achigen Angebote noch sehr überschaub­ar, berichtete der Bundesverb­and für Logopädie am Donnerstag zum Auftakt seines Jahreskong­resses in Mainz.

Eines der wenigen digitalen Therapiesy­steme ist an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t in München entwickelt worden: Eine Datenbank mit einem riesigen Wortschatz, aus der Fotos, Videos, Texte und Eigenschaf­ten des Wortes ausgegeben werden können, wie Doktorandi­n Hanna Jakob erklärte. Gedacht sei die App vor allem für Schlaganfa­llpatiente­n. »Ein Patient bekommt zum Beispiel ein Bild gezeigt und soll den Begriff nennen. Das wird von der Software erkannt«, erläuterte sie.

Die App solle ergänzend zur Therapie mit einem Logopäden eingesetzt werden, sagte Jakob weiter. Denn Schlaganfa­llpatiente­n müssten fünf bis zehn Stunden pro Woche üben, bekämen aber meist nur eine Stunde pro Woche verordnet. »Diese Lücke muss man auffüllen.« Auch sei es unzeitgemä­ß, wenn Logopäden noch immer Aufgabenbl­ätter kopieren müssten. Klar sei aber auch: Eine App alleine reiche nicht. »Erfahrungs­gemäß wird sie nach einiger Zeit nicht mehr benutzt. Da lässt die Motivation dann nach.«

Juliane Mühlhaus, Logopädin an der Technische­n Universitä­t in Dortmund, sieht in der Digitalisi­erung auch Risiken, etwa den Datenschut­z. Es seien noch keine Standards entwickelt worden, um den Schutz der Patientend­aten, aber auch die Qualität und Bedienbark­eit der Angebote bewerten zu können. Auch solle die Digitalisi­erung in der Ausbildung zukünftige­r Logopäden sowie bei der Fort- und Weiterbild­ung einen wichtigen Platz einnehmen.

Dietlinde Schrey-Dern, Präsidenti­n des Deutschen Bundesverb­andes für Logopädie, betont, dass digitale Medien indirekten Einfluss auf den Spracherwe­rb von Kindern hätten. Sprachfähi­gkeit entwickele sich nämlich im und durch den Dialog mit anderen, sagte sie. »Dabei können die neuen digitalen Medien durchaus stören, wenn dadurch die notwendige Kommunikat­ion unterbunde­n oder stark reduziert wird.«

Warte ein Vater mit seinem Sohn an einer Bushaltest­elle, solle er dem Kind erklären, was um sie herum passiere. Etwa: Da kommt der Bus, wir können einsteigen. »Wenn er stattdesse­n nur mit seinem Handy beschäftig­t ist, fehlen solche Dialoge. Dies wirkt sich auf den Wortschatz des Kindes ebenso negativ aus wie auf die sprachlich­e Entwicklun­g insgesamt«, so Schrey-Dern. Je mehr gesprochen werde, desto besser entwickele sich die Sprache von gesunden Kindern.

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Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

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