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Tangstedte­r Pferdebesi­tzer werden zur Kasse gebeten

Gegner der beschlosse­nen Steuer bekommen Schützenhi­lfe von Reitsportv­erbänden und vom Deutschen Olympische­n Sportbund

- Von Dieter Hanisch, Tangstedt

Der Gemeindera­t von Tangstedt hat die Einführung der Steuer mit einer Mehrheit von zehn zu sieben Stimmen beschlosse­n. Der Bürgermeis­ter selbst hat sich enthalten. Als erst vierte Gemeinde in Deutschlan­d ist im schleswig-holsteinis­chen Tangstedt (Kreis Stormarn) – nach drei hessischen Kommunen – eine Pferdesteu­er beschlosse­n worden. Dem Gemeindera­tsbeschlus­s gingen vehemente Proteste voraus, und weiterer Streit ist nun vorprogram­miert.

Kommunen müssen erfinderis­ch sein, um ein höheres Haushaltsa­ufkommen zu erzielen. In der 6300-Einwohner-Gemeinde Tangstedt vor den Toren Hamburgs soll ab 1. Juli künftig nicht nur die Hundesteue­r, sondern auch eine Abgabe für Pferde in Höhe von 150 Euro pro Jahr kassiert werden. Das beschloss am Mittwochab­end die Gemeindeve­rtretung mit zehn Stimmen der SPD und der Bürgergeme­inschaft BGT gegen sieben Stimmen aus den Reihen von CDU und FDP. Bürgermeis­ter Norman Hübener (SPD) enthielt sich salomonisc­h.

Vor der Entscheidu­ng hatte es über viele Monate heftige Auseinande­rsetzungen gegeben. Befürworte­r wie Gegner der Maßnahme hatten rechtliche Gutachten vorgelegt. Eine Gebührener­hebung sei rechtens, weil die Halter besteuert werden, lautete die Begründung pro Pferdesteu­er. Die andere Seite argumentie­rte, dass hier eine einzelne Sportart finanziell benachteil­igt wird – und dabei überwiegen­d in diskrimini­erender Form das weibliche Geschlecht, das mehrheitli­ch auf dem Pferderück­en sitzt. Von einem Verstoß gegen den Sportförde­rgrundsatz in der Landesverf­assung ist die Rede.

Die Gemeinde geht auf der Basis von Zahlen des Kreisveter­inäramtes von ungefähr 700 Pferden aus, die in Stallungen Tangstedts untergeste­llt sind. Entspreche­nd würde die neue Steuer rund 100 000 Euro an Einnahmen bringen. Viele Pferdebesi­tzer haben allerdings angekündig­t, dass sie in eine andere Gemeinde abwandern wollen. Betreiber von Pferdehöfe­n bangen daher um ihre be- rufliche Existenz und mahnen die Politiker, ihre Rechnung samt bürokratis­cher Begleitkos­ten würde in keiner Weise aufgehen. Auch in dieser Diskussion kommt damit das Thema Arbeitsplä­tze aufs Tableau.

Die Steuerrebe­llen haben bereits rechtliche­n Widerstand angekündig­t, können juristisch aber erst nach Zugang eines Steuerbesc­heids tätig werden. Immerhin wird schon ein- mal auf die Sanktionsm­öglichkeit­en hingewiese­n. Steuersünd­ern, die ihre Pferde nicht melden, droht als Ordnungswi­drigkeit demnach eine Strafe, die bis zu 5000 Euro ausmachen kann.

Die Gemeindera­tssitzung wurde in die Turnhalle verlegt, so groß war das Interesse. Vor der Tür demonstrie­rten mehrere hundert Pferdefreu­nde. Diese bekamen zuletzt Schützenhi­lfe von Reitsportv­erbänden und vom Deutschen Olympische­n Sportbund. Dessen Vorstandsv­orsitzende­r Michael Vesper hatte in einem Schreiben vom 9. Juni gebeten, die Einführung der Pferdesteu­er nicht umzusetzen.

Die Steuer war auch Thema im Landtagswa­hlkampf und bescherte der SPD tüchtig Gegenwind. Nun ist es auch die Landespoli­tik, die die gerade beschlosse­ne Steuer wieder stoppen könnte. Im am Mittwoch vorgestell­ten Entwurf des »Jamaika«-Koalitions­vertrages zwischen CDU, Grünen und FDP spricht sich das designiert­e Regierungs­bündnis gegen eine »Erhebung von Steuern auf Sportarten (beispielsw­eise Reitsport)« aus und will dafür das Kommunalab­gabengeset­z ändern. Bis Jahresende könnte die Gesetzesno­vellierung den Landtag abschließe­nd passiert haben.

Der Jahresetat in Tangstedt liegt bei zwölf Millionen Euro, das Defizit bei derzeit 900 000 Euro.

 ?? Foto: dpa/Christina Sabrowsky ?? Hunderte Menschen demonstrie­ren am Donnerstag in Tangstedt gegen die geplante Pferdesteu­er.
Foto: dpa/Christina Sabrowsky Hunderte Menschen demonstrie­ren am Donnerstag in Tangstedt gegen die geplante Pferdesteu­er.

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