nd.DerTag

Unwürdiges Ritual

Kurt Stenger zur Einigung der Eurogruppe über Griechenla­nd

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Die Eurogruppe hat sich kurz vor einem Stichtag mal wieder selbst gerettet. Die griechisch­e Regierung bekommt nach monatelang­em Hin und Her endlich frische Milliarden vom Eurorettun­gsschirm ESM, vor allem um Altschulde­n zurückzuza­hlen – beim Eurorettun­gsschirm EFSF. Mit einer Verweigeru­ng der schon lange vereinbart­en Kreditzahl­ungen hätte man Athen wieder ins Chaos gestürzt, sich aber letztlich auch selbst geschadet.

Was soll also dieses unwürdige Ritual, das sich seit dem allererste­n Kreditprog­ramm von 2010 bei praktisch jeder Auszahlung wiederholt? Vor allem dient es den Hardlinern in der Eurogruppe rund um Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble dazu, mal wieder aufzuzeige­n, wer am längeren Hebel sitzt. Schließlic­h sollen nach der verqueren neokonserv­ativen Wirtschaft­sideologie die Regierende­n in Athen ständig neue Austerität­spakete schnüren. Dass diese letztlich dafür sorgen, dass in Griechenla­nd trotz des schon sehr tiefen wirtschaft­lichen und sozialen Falles weiterhin kein Aufschwung in Sicht ist, wollen Schäuble & Co. einfach nicht wahrhaben.

Statt monatelang über zugesagte Kredite zu streiten, hätte man Athen jetzt Schuldener­leichterun­gen gewähren müssen, damit das Land über genug Haushaltsm­ittel verfügt, mittels Investitio­nen für Aufbruchst­immung zu sorgen. So bleibt es unwahrsche­inlich, dass im Sommer 2018 nach Ende des laufenden Kreditprog­ramms nicht schon über das nächste verhandelt werden muss.

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