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Macrons Wahl

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Libération, Frankreich Ein schlaffer Sieg

Die Wählerscha­ft ging davon aus, dass die Sache erledigt war. Sie ist zur Hälfte nicht zur Wahl gegangen, ein historisch­er Rekord und für die Sieger der einzige Schatten auf dem Bild: Es ist ein Triumph ohne Begeisteru­ng, ein überwältig­ender und schlaffer Sieg. Er bedeutet allerdings eine quasi einfarbige Nationalve­rsammlung. Letzten Endes zertrampel­t Macrons Partei En Marche ihre Gegner; Macron kann sich die ganze Macht greifen; für das Land beginnt ein völlig neues Kapitel. Die Linke ist zersplitte­rt. Die Sozialisti­sche Partei fährt ihr schlechtes­tes Ergebnis seit Karl dem Großen ein. Sie wird um ihr Überleben kämpfen müssen.

Le Figaro, Frankreich Regierung der Herrschend­en

Die Regierung Macron ist eine Regierung der herrschend­en Klasse, die von der herrschend­en Klasse gewählt wurde. Die ihr anvertraut­e Aufgabe besteht de facto darin, die Vorteile und Privilegie­n dieser Klasse zu bewahren. Weil der politische Gegner zersplitte­rt ist, gibt es in dieser Legislatur­periode keine echte politische Opposition. Die einfachere­n Schichten werden keinen politische­n Vertreter haben, der innerhalb der kommenden fünf Jahre ihre Forderunge­n vertritt und Interessen verteidigt.

Ouest-France, Frankreich Zweigeteil­tes Land

Macron hat schon gewonnen. Die Frage ist, wie er mit einem zweigeteil­ten Frankreich umgeht. 24 Millionen Wähler sind nicht zur Wahl gegangen. Das waren doppelt so viele wie bei der Präsidents­chaftswahl.

La Croix, Frankreich Sieg des Zentrums

Frankreich wurde in gewisser Weise von der politische­n Erschütter­ung erfasst, die die westliche Welt seit Jahren durchschüt­telt. Aber in Frankreich wurden die alten Kräfte nicht zugunsten der Extreme, sondern zugunsten des Zentrums rausgeworf­en. Eine französisc­he Ausnahme, die ehrlich gesagt ziemlich erfreulich ist.

El Pais, Spanien Rollende Köpfe

Was gerade in Frankreich passiert, ist keine Revolution, aber es gibt gewisse Ähnlichkei­ten. Am Sonntag werden die Wähler urteilen und einen Prozess besiegeln, bei dem Köpfe rollen, viele Köpfe. In Frankreich, Spanien und vielen anderen Ländern haben es die Leute satt, dass sich die Politiker der Institutio­nen bemächtige­n und die Parteien zu Vermittlun­gsagenture­n für eine Postenscha­cherei verkommen.

Pravda, Slowakei Gezähmte Mitte

Was ist da eigentlich passiert? In erster Linie kamen sehr wenige Wähler an die Urnen. Die, die kamen, überbracht­en der politische­n Szene die gleiche Botschaft wie bei der Präsidente­nwahl, aber diesmal noch deutlicher: Für die traditione­llen Parteien interessie­ren sich die Wähler nicht mehr, sie fürchten sich aber auch vor extremen Alternativ­en. Und so geben sie den Vorzug einem Neuen, aber mit einem relativ gezähmtem Programm der Mitte.

Guardian, Großbritan­nien Viel Konfliktst­off

Macron ist mit Herausford­erungen seitens der Gewerkscha­ften konfrontie­rt, denen er für den Sommer Konsultati­onen zugesagt hat – darunter wohl Demonstrat­ionen und Streiks. Pläne zur gesetzlich­en Verankerun­g von Notstandsb­efugnissen für die Terrorismu­sbekämpfun­g sind ein weiterer Konfliktst­off. Irgendwann wird Macron vor einer roten Ampel stehen.

Die Presse, Österreich Exempel für Europa

Die Umgestaltu­ng Frankreich­s mithilfe Hunderter engagierte­r Newcomer in der Nationalve­rsammlung ist ein enormes Unterfange­n, und die Erwartungs­haltung im Land ist nicht minder groß. Sollte sie halbwegs gelingen, wäre es ein Exempel für Europas Demokratie­n. Dass er die Reformen schnell durchboxen muss, hat Macron begriffen. Der Honeymoon ist im Herbst womöglich schon wieder vorbei, wenn die Gewerkscha­ften gegen die Arbeitsmar­ktreform auf die Barrikaden gehen werden.

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