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Ringen um die Macht

Rumäniens Regierungs­partei entzieht dem Ministerpr­äsidenten das Vertrauen

- Von Silviu Mihai, Bukarest

Rumäniens regierende Sozialdemo­kraten entzogen dem eigenen Premier, Sorin Grindeanu, die politische Unterstütz­ung. Doch der will einfach weitermach­en, notfalls mithilfe der Opposition. Es ist selbst für rumänische Verhältnis­se eine skurrile Premiere. Eine Partei, die erst vor einem halben Jahr die Wahlen gewonnen und die Regierung gebildet hat, entzieht ihrem eigenen Ministerpr­äsidenten die politische Unterstütz­ung und will ihn offenbar stürzen. Dieser weigert sich partout, den Posten zu räumen, und zwingt damit seine Kollegen zu seltsam peinlichen Gesten wie einem Misstrauen­santrag gegen das eigene Kabinett. Die Abgeordnet­en der Regierungs­mehrheit überlegen sich, ob sie dem Parteivors­itzenden oder vielleicht doch dem beinahe abgesägten Premier loyal bleiben sollten. Und niemand versteht so richtig, worum es in dieser Krise eigentlich geht.

Offiziell begründete die Parteiführ­ung der Sozialdemo­kraten (PSD) ihren bizarren Schritt mit der Behauptung, es habe deutliche Mängel und Verspätung­en bei der Implementi­erung des Parteiprog­ramms gegeben. Dies sei die Konklusion einer parteiinte­rnen Evaluierun­g, die gezeigt habe, dass die Regierung wichtige Ziele noch nicht erreicht und diverse Termine verpasst habe. Als Beispiele nannte Vorsitzend­er Liviu Dragnea allerdings nur solche Verspreche­n aus dem Wahlkampf, die die meisten Beobachter entweder als zu ambitionie­rt oder aber als nicht sehr wichtig betrachten. So soll es ein Problem sein, dass die Mehrwertst­euer auf manche Immobilien­geschäfte noch nicht gesenkt worden ist. Auch bei der Gründung eines nationalen Investitio­nsfonds soll es Verspätung­en gegeben haben. Und die EU-Integratio­n der Westbalkan­länder sei nicht entschiede­n genug unterstütz­t worden.

Ministerpr­äsident Grindeanu gibt zwar zu, dass seine ersten sechs Monate im Amt nicht perfekt waren, lehnt aber die Kritikpunk­te als unglaubwür­dig ab. In der Tat ist seit Ende Dezember ziemlich viel davon erreicht worden, was den Wählern der Sozialdemo­kraten sehr wichtig ist. Eine umfassende und couragiert­e Reform des Tarifrecht­s wurde auf den Weg gebracht, demgemäß sollen die Gehälter im öffentlich­en Sektor zwar später als ursprüngli­ch angekündig­t, aber immerhin deutlich steigen. Dadurch sollen der massiven Auswanderu­ng qualifizie­rter Fachkräfte wie Ärzte ein Ende gesetzt und auch die Hauptursac­hen der Korruption im öffentlich­en Dienst effektiv bekämpft werden. Ein gleichzeit­iges und dezidierte­s Ankurbeln der staatliche­n Investitio­nen wäre zwar wünschensw­ert, ist allerdings angesichts der strengen EU-Regeln über die Haushaltsd­efizite praktisch unmöglich.

Hinzu kommt, dass die bisherige wirtschaft­liche Bilanz der Regierung sehr gut ausfällt. Mit 5,7 Prozent im ersten Vierteljah­r hat Rumänien nach wie vor das größte BIP-Wachstum in der EU. Die Vorwürfe der wirtschaft­sliberalen Opposition, die den Sozialdemo­kraten eine Gefährdung des Wachstums durch wirtschaft­spopulisti­sche Maßnahmen attestiere­n wollte, haben sich als unbegründe­t erwiesen. Vor diesem Hintergrun­d nimmt kaum ein Kommentato­r die offizielle­n Argumente der PSD-Führung ernst. Vielmehr betrachten die rumänische­n Medien unisono die skurrile politische Krise als Konsequenz eines innerparte­ilichen Macht- kampfes zwischen Grindeanu und Dragnea. Letzterer durfte nach den Wahlen angesichts einer Vorstrafe nicht Ministerpr­äsident werden und musste sich zunächst mit dem Vorsitz der Abgeordnet­enkammer zufrieden geben. Ein Konflikt war insofern so gut wie programmie­rt.

Die Lage eskalierte diese Woche, als die PSD-Führung beschloss, gegen Grindeanu im Parlament einen Misstrauen­santrag zu stellen und ihn aus der Partei auszuschli­eßen. Das Misstrauen sollte im Laufe der nächsten Woche im Parlament debattiert werden, doch ein Erfolg der PSDFührung ist alles andere als sicher. Die notwendige Mehrheit liegt bei 233 Stimmen, die bisherige Regierungs­koalition verfügt zwar theoretisc­h über 245, aber einige sozialdemo­kratische Abgeordnet­e, darunter der frühere Premier Victor Ponta, haben bereits angekündig­t, dass sie Grindeanu nicht stürzen werden. Und selbst im Falle eines erfolgreic­hen Misstrauen­santrags gilt es nicht als garantiert, dass Staatspräs­ident Klaus Johannis einen der Gefolgsleu­te Dragneas zum Premier ernennen wird. Der Parteichef selbst kann mit keiner Nominierun­g rechnen.

 ?? Foto: dpa/Vadim Ghirda ?? Mit dem Willen zur Macht: Ministerpr­äsident Grindeanu diese Woche bei einer Pressekonf­erenz
Foto: dpa/Vadim Ghirda Mit dem Willen zur Macht: Ministerpr­äsident Grindeanu diese Woche bei einer Pressekonf­erenz

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