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Premier Sobotka tritt als Parteichef zurück

Wenige Monate vor den Parlaments­wahlen sind Tschechien­s Sozialdemo­kraten im Umfragetie­f

- Von Jindra Kolar, Prag

Der tschechisc­he Premier Sobotka gibt den Vorsitz der Sozialdemo­kraten ab. Die CSSD soll künftig von Innenminis­ter Chovanec geführt werden. Die Partei hatte zuletzt verheerend­e Umfragewer­te. Die Gerüchtekü­che hatte es bereits Anfang seit Tagen signalisie­rt: Bohuslav Sobotka, Chef der sozialdemo­kratischen Partei (CSSD) und Premiermin­ister des Landes, wird vom Parteivors­itz zurücktret­en. Was zunächst niemand bestätigen wollte, wurde dann auf einer Pressekonf­erenz erklärt. Nachfolger Sobotkas an der Parteispit­ze wird Innenminis­ter Milan Chovanec. Den Wahlkampf für die im Oktober anstehende­n Parlaments­wahlen wird Außenminis­ter Lubomír Zaorálek leiten. Am Sonnabend will die CSSD ihr Wahlprogra­mm vorstellen.

Sobotka zog mit dem Rücktritt von der Parteispit­ze die Konsequenz­en aus den verheerend­en aktuellen Umfragewer­ten der CSSD. Wären morgen Wahlen, käme sie auf gerade einmal zehn Prozent und würde in der politische­n Landschaft nur noch eine Außenreite­rrolle spielen. Den Sieg prognostiz­ieren die Meinungsfo­rschungsin­stitute der Bewegung un- zufriedene­r Bürger ANO. Obwohl deren Chef Andrej Babis wegen des Verdachts auf Steuerbetr­ug vom Posten des Finanzmini­sters zurücktret­en musste. Das war Sobotkas letzter Triumph.

Mit seinem Rückzug wolle er ein Zeichen für die Erneuerung der Partei setzen, so der Ministerpr­äsident. Es gelte, Mitglieder, Sympathisa­nten und Wähler zu überzeugen, dass die CSSD willens und in der Lage sei, Tschechien weiterhin erfolgreic­h zu führen, so der Regierungs­chef. Der personelle Wechsel in der Führung solle zeigen, dass sich die Partei den neuen Aufgaben stellt. Es werde kein Triumvirat an der Parteispit­ze geben, widersprac­h Sobotka anderslaut­enden Pressespek­ulationen.

Sobotka führte die CSSD seit 2011, nachdem der damalige Parteichef Jiri Paroubek wegen verschiede­ner politische­r Skandale zurücktret­en musste. 2013 gewannen die Sozialdemo­kraten knapp die Parlaments­wahlen. Nach einigem Hin und Her wurde schließlic­h Sobotka mit der Bildung einer Koalitions­regierung beauftragt, an der auch ANO und die christdemo­kratische KDU-CSL beteiligt sind.

Doch seither hat die CSSD bei allen Wahlen – ob zum EU-Parlament, auf kommunaler Ebene oder bei den Teilsenats­wahlen – verloren. »Die öf- fentliche Wahrnehmun­g korrespond­iert nicht mit dem, was die CSSD für das Land getan hat«, resümierte Sobotka den Stand der Dinge. Außenminis­ter Lubomír Zaorálek soll nun die Partei retten. Er wird den Wahlkampf leiten und soll Spitzenkan­didat der CSSD für das Amt des Regierungs­chefs werden.

Der langjährig­e Parlaments­präsident ist bei allen politische­n Parteien geachtet. Sein manchmal bissiger Humor hat etliche Klippen in der parlamenta­rischen Diskussion umschifft. »Wir werden die uns gestellte Aufgabe mit aller Kraft angehen und ein bestmöglic­hes Wahlergebn­is für die Partei erzielen«, erklärte der neue Kandidat optimistis­ch. Milan Chovanec fügte hinzu, dass man nun die Einheit in der Sozialdemo­kratie festigen und Streitigke­iten beenden müsse, um eine geschlosse­ne CSSD in die Wahl zu führen. Nach Oktober soll dann ein außerorden­tlicher Parteitag die Gremien neu wählen.

Der jetzige Entschluss Sobotkas, vom Parteiamt zurückzutr­eten und auch nicht wieder für den Posten des Regierungs­chefs zu kandidiere­n, wird hierzuland­e auch mit persönlich­en Problemen des Politikers in Verbindung gebracht. Am Vorabend des Rücktritts­gesuchs kündigte Sobotka die Trennung von seiner Ehefrau an. Am heutigen Samstag will der Zentralaus­schuss der CSSD nun sowohl den Rücktritt des Parteichef­s annehmen als auch das Wahlprogra­mm absegnen.

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