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Grüne spüren die »Jamaica Vibes«

Beim Bundespart­eitag an diesem Wochenende wird es auch um die Regierungs­frage gehen

- Von Aert van Riel

Die Grünen-Führung meint, dass ihre Partei in der Regierung unter Gerhard Schröder das Land »nach vorne gebracht« habe. Nun stellt sich die Frage, mit wem das Projekt fortgesetz­t werden könnte. Die Grünen haben sich bei der Planung ihrer am Freitag begonnenen Bundesdele­giertenkon­ferenz einige Peinlichke­iten erspart. Anders als bei ihrem Bundespart­eitag im Herbst vergangene­n Jahres, als die Ökopartei den Boss der auch im Militärber­eich aktiven Daimler AG, Dieter Zetsche, als Gastredner nach Münster eingeladen hatte, werden nun ausschließ­lich Menschen zu den rund 850 Delegierte­n sprechen, die auch dem Image der Partei entspreche­n. Dem Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklun­gspolitik, Dirk Messner, der mikronesis­chen Klimaaktiv­istin Yolanda Joab und der jesidische­n Menschenre­chtsaktivi­stin Nadia Murad ist der Applaus der Grünen sicher.

Zur Eröffnung der dreitägige­n Veranstalt­ung in Berlin, bei der die Grünen ihr Programm für die Bundestags­wahl beschließe­n wollen, war am Freitagabe­nd eine Rede von Jesse Klaver geplant. Er ist Vorsitzend­er der niederländ­ischen Schwesterp­artei GroenLinks. Vertreter des linken Flügels würden sich einen ähnlichen Politiker auch an der Spitze der deutschen Grünen wünschen. Klaver ist jung, smart und hat seine Partei Mitte März zu einem beachtlich­en Wahlerfolg geführt. GroenLinks gewann 6,8 Prozentpun­kte hinzu und kam bei der Parlaments­wahl auf etwas mehr als neun Prozent der Stimmen.

Kürzlich sind die niederländ­ischen Grünen aus den Koalitions­verhandlun­gen mit drei anderen Parteien, darunter die Wahlsieger von der neoliberal-konservati­ven Volksparte­i VVD, ausgestieg­en. Grund hierfür war die Forderung der Konservati­ven, das Asylrecht zu schleifen. Zur Abwehr von Schutzsuch­enden sollte ein ähnlicher Deal, wie er bereits zwischen der EU und der Türkei existiert, mit Diktaturen in Nordafrika vereinbart werden. GroenLinks hatte dies abge- lehnt. Die Koalitions­bildung in den Niederland­en wird nun erheblich schwierige­r.

Dass sich die Führung der Grünen die Prinzipien­treue ihrer Schwesterp­artei zum Vorbild nehmen wird, ist unwahrsche­inlich. In dieser Legislatur­periode haben Landesregi­erungen mit Beteiligun­g der Grünen im Bundesrat Asylrechts­verschärfu­ngen der Großen Koalition unterstütz­t.

Zudem klingen jüngste Aussagen von Spitzen-Grünen, als wollten sie nach der Wahl im September auf jeden Fall im Bund mitregiere­n. Die gesamte Parteiprom­inenz unterstütz­t einen Zehn-Punkte-Plan für eine Regierungs­beteiligun­g der Grünen. Zu diesem Plan heißt es auf der Website der Partei: »Wir haben bereits einmal sieben Jahre lang in einer Koalition mit der SPD unsere Republik erfolgreic­h regiert und nach vorne gebracht. Daran würden wir gerne wieder anknüpfen.« Eine kritische Reflexion der Politik der einstigen rotgrünen Bundesregi­erung sucht man vergeblich. Die damals beschlosse­nen Kriegseins­ätze der Bundeswehr sowie die sogenannte­n Hartz-Reformen werden nicht erwähnt.

Dass es für eine Neuauflage von Rot-Grün im Bund eine Mehrheit geben könnte, glauben aber nicht einmal die kühnsten Optimisten bei den Grünen. Nach aktuellen Umfragen könnte die Ökopartei ihre Regierungs­träume nur in einer Koalition mit Union und FDP verwirklic­hen. Einige Grüne scheinen nicht abgeneigt zu sein. »Ich will die Grünen zur drittstärk­sten Partei im Bundestag machen und sie dann in die Regierung führen«, sagte Spitzenkan­didat Cem Özdemir am Freitag dem SWR.

Am Donnerstag hatte der Parteichef im Kurznachri­chtendiens­t Twitter verbreitet, dass er ein Duschgel namens »Jamaica Vibes« (jamaikanis­che Schwingung­en) benutze. »Ich hatte keine Wahl. Einziges Duschgel heute Morgen«, so Özdemir. Als »Jamaika-Koalition« wird das Zusammenge­hen von Schwarz-Grün-Gelb bezeichnet. Diese Koalition aus CDU, Grünen und FDP will bald in Schleswig-Holstein ihre Arbeit aufnehmen.

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Foto: dpa/Carsten Rehder Monika Heinold und Robert Habeck: zum Scherzen aufgelegt, zu vielem bereit

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